Der Reichswald in Erlangen war mal ohne Bäume

14.9.2018, 10:00 Uhr
Der Reichswald in Erlangen war mal ohne Bäume

© Ilona Hörath

40 Quadratmeter klein ist der frisch sanierte und umgestaltete Raum, in dem unterschiedliche Bäume aus den Wänden herauszuwachsen scheinen. Blickfang ist eine in leuchtend rotes Gewand gekleidete, lebensgroße Puppe: So oder so ähnlich könnte der Nürnberger Ratsherr Peter Stromer ausgesehen haben, der im 14. Jahrhundert lebte.

Genau diesem damaligen Großunternehmer, der in der Region viele Eisenhämmer betrieb, erweisen Peter Proebstle und seine Mitarbeiter mit einer neuen Ausstellung die Ehre: Vor genau 650 Jahren erfand der erfolgreiche Geschäftsmann die Nadelholzsaat. Was sich aus heutiger Perspektive wenig spektakulär anhört, war damals bahnbrechend, geradezu revolutionär, erzählt Proebstle: "Peter Stromer gilt als der Begründer der nachhaltigen Forstwirtschaft."

Zu seiner Zeit, im Spätmittelalter, war Nürnberg eine aufstrebende und damit holzhungrige Stadt. Ob als Baustoff, Brennstoff oder für die Holzkohleproduktion: Man bediente sich nach Belieben und plünderte den Reichswald aus. Schlug die Bäume weg und verschwendete keinen Gedanken an die Verjüngung des Waldes – und damit an dessen Zukunft. Irgendwann fehlte das Holz, wo einst prächtiger Reichswald gestanden hatte, breitete sich nun rasant Heide aus. Bis Peter Stromer eingriff und die Wiederaufforstung startete. "Peter Stromer war der erste, der nicht nur an seine Kinder und Enkelkinder dachte, sondern an nachfolgende Generationen", sagt Proebstle.

An Ostern 1368 begann Stromer, Tannen, Fichten und Kiefern zu säen. In einer Zeit, in der Nadelbäume als Teufelswerk galten, weil sie, anders als etwa Eichen und Obstbäume, keine Früchte trugen, die man hätte verwerten können. Stromer nahm viel Geld in die Hand, scheute das Investitionsrisiko nicht und experimentierte.

Untersuchte, in welcher Tiefe und auf welchem Boden welche Samen eingebracht werden müssen, damit wieder stattlicher Wald heranwachsen kann. Ließ die reifen Zapfen aus den Baumkronen ernten. Entwickelte eine Saattrommel, die sogenannte Klenge, um die Samen aus den zuvor getrockneten Zapfen zu gewinnen. "Peter Stromer hat es so perfektioniert, dass er rund 100 Hektar Wald begründet hat."

Der Reichswald in Erlangen war mal ohne Bäume

© Ilona Hörath

Die Nürnberger "Dannensäer" waren geschäftstüchtig genug, die Waldsamen zu exportieren, nach Frankfurt, Wien oder Budapest. Mehr noch: "Manchmal haben sie das Saatgut sogar verschenkt, aber das Knowhow des Säens und der Forstwirtschaft für viel Geld verkauft", weiß Forstdirektor Proebstle.

Die Ausstellung im Peter-Stromer-Haus umfasst weitaus mehr als Stromers Engagement. "Es geht um die Entwicklung unserer Wälder vom Urwald bis zur Zukunft", sagt Proebstle. "Wir bauen unsere Wälder um, damit sie auf die Klimaveränderung vorbereitet sind." Neben heimischen Baumarten als Hauptbestand werden zukünftig auch Zeder, Edelkastanie, Baumhasel oder Türkische Tanne zu entdecken sein, die mehr Hitze und Trockenheit aushalten. Was Peter Proebstle mit der Ausstellung vermitteln will, ist nicht weniger als "eine Wertschätzung für den Wald".

Das Jubiläum der Erfindung der Nadelholzsaat feiert das Walderlebniszentrum am kommenden Sonntag auf seinem traditionellen Waldfest. Vor dem Beginn um 11 Uhr findet um 10 Uhr ein Gottesdienst statt. Bis 17 Uhr wird es unter dem Motto "Mittelalter" viele Mitmachaktionen geben.

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