„Die Armut wird dramatisch zunehmen“

1.9.2010, 11:05 Uhr
„Die Armut wird dramatisch zunehmen“

© dpa

„Zur Herstellung solider Staatsfinanzen müssen Ausgaben und Einnahmen sicher in Einklang gebracht werden“, räumt Elisabeth Paulus, die Geschäftsführerin des VdK in Erlangen ein, „Sparmaßnahmen dürfen aber, wenn sie denn wirklich sozial ausgewogen sein sollen, Spitzenverdiener nicht außen vor lassen.“ Beim Thema „Soziale Gerechtigkeit“ werden Elisabeth Paulus und der Erlanger VdK-Vorsitzende Kunibert Wittwer ziemlich schmallippig, weil sie nämlich den dringenden Verdacht haben, dass die schwarz-gelbe Koalition in Berlin alles andere plant als Sparbeschlüsse, die sozial ausgewogen sind. „Die Sparbeschlüsse, so weit sie uns bisher bekannt sind, sind alles andere als eine Chance, Wohlstand und sozialen Zusammenhalt zu stärken“, sagen sie.

Nur eine Umschichtung

Vor allem warnen die beiden Erlanger VdK-Vertreter davor, an den Rentenversicherungsbeiträgen von den Arbeitslosengeld-Empfänger sparen zu wollen — dies würde bloß dazu führen, dass Anwartschaften auf eine Erwerbsminderungsrente wegfallen würden und ein großer Teil dieses Klientels in die Sozialhilfe falle. Zwar seien dann die Städte zuständig — „aber wem würde das schon helfen“, fragt Elisabeth Paulus, „wo ist da die Ersparnis?“ Zudem verstoße dies auch gegen das Verursacherprinzip — der Bund mache die Menschen arm, die Stadt müsse ihnen helfen. Paulus und Wittwer müssen allerdings auch einräumen, dass sie von diesen Betroffenen eher wenig Beratungsnachfrage haben: „Das liegt einfach daran, dass diese Menschen noch nicht einmal die fünf Euro Beitrag für den VdK übrig haben, wir sie also auch nicht beraten können und dürfen.“

Hinzu komme, dass durch solche „Sparmaßnahmen“ die Rentenversicherung als Institution massiv geschwächt, wenn ihr Beiträge vorenthalten werden, gibt Elisabeth Paulus zu bedenken, die Rentenversicherung habe aber bereits in den letzten Jahren durch die Verpflichtung auf viele sachfremde Aufgaben „heftig bluten“ müssen.

Weitere Kritikpunkt des VdK: Die geplante Anrechnung des Elterngeldes auf das Einkommen: Paulus: „Das kommt einer Streichung gleich, dann hätte man es auch nicht einführen müssen.“ Und die Umwandlung der beruflichen Rehabilitation von einer Pflicht- in eine Ermessensleistung sei ebenfalls kontraproduktiv.

Paulus und Wittwer, die aus ihrer Erfahrung die sinkenden Rentenhöhen beklagen („dramatisch verschlechtert“), fordern „endlich einen Solidarbeitrag der Unternehmen und der Gutverdienenden in Deutschland“. Steuererhöhungen auszuschließen sei „nicht sachgerecht“, Spitzenverdiener müssten zur Kasse gebeten werden. Wittwer und Elisabeth Paulus warnen vor einer Entsolidarisierung, die sich heute schon in der Arbeitswelt zeige. „Wer sich vor der Mitfinanzierung der Sozialversicherungssysteme drücken will, ist asozial.“