Eckental: Fleck stößt an Grenzen

22.7.2015, 15:00 Uhr
Eckental: Fleck  stößt an Grenzen

© Fotos: Isabel Krieger

80 aktive Helfer, 110 Flüchtlinge. Bernhard Nottbeck, Henning Hoffmann und Udo Lennert sind stolz, wenn sie über den ehrenamtlichen Betreuungsschlüssel in der Marktgemeinde Eckental reden. Der ehemalige Siemensmanager, der evangelische Pastor und der Leiter des örtlichen Sozialkaufhauses sind drei der Initiatoren der Flüchtlingsinitiative „Fleck e.V.“, einer von mehr als einem Dutzend allein im Landkreis Erlangen-Höchstadt. 160 Mitglieder hat „Fleck“. Dass der Zulauf so groß ist, liege wohl auch daran, dass die Initiative unabhängig sei, vermutet Hoffmann. Kirchen, Vereine und Privatleute sind mit im Boot. Fleck e.V. stellt Deutschkurse, Freizeitbegegnungen und vieles mehr auf die Beine. Nur wer mag, bringt sich aktiv ein. Die Stimmung ist auch nach einem Dreivierteljahr gut. „Alles in allem sind wir in einem ruhigen Fahrwasser“, sagt Nottbeck.

Doch das könnte sich schon bald ändern. Zwei weitere Asylunterkünfte sollen in den nächsten Monaten in der Marktgemeinde mit ihren 15 000 Einwohnern entstehen. Statt 110 sind es dann 250 Asylbewerber, die zu betreuen sind. 60 davon sollen zu Jahresbeginn in den Ortsteil Eckenhaid kommen. Dort machten die Bürger in den vergangenen Wochen mobil gegen die geplante Reihenausanlage eines Privatinvestors in der Eckenbachstraße .

„Luxus-Asyl“ heißt es über die sechs Reihenhäuser für Flüchtlinge in den sozialen Netzwerken. Anwohner fühlen sich benachteiligt, weil das Grundstück nicht auf dem freien Wohnungsmarkt verfügbar war, andere befürchten den Wertverlust ihrer Immobilie.

Die Vorstände von Fleck e. V. sprechen sich für den Bau der Reihenhäuser aus, auch wenn die Informationspolitik im Vorfeld schlecht gelaufen sei. „Auch wir wollen für Flüchtlinge keine Luxusversorgung“, betont Bernhard Nottbeck. Doch Luxus ist an den Häusern aus seiner Sicht allenfalls die über den Vergleichswerten liegende Miete, die der Investor von der Regierung auf zehn Jahre zugesichert bekommen hat.

Die Reihenhäuser werden nach einer Pressemitteilung des Investors in Zweizimmerwohnungen eingeteilt. 15 Quadratmeter pro Person. Gesetzlich vorgeschrieben sind sieben. Zudem gibt es Bad und Küche auf jedem Stock. Alles in allem für die Flüchtlingsinitiative eine gute Bleibe, in der Integration dauerhaft gelingen kann. „Wir bräuchten auch für anerkannte Flüchtlinge solche Reihenhausanlagen“, fordert vielmehr Bernhard Nottbeck.

Eckental: Fleck  stößt an Grenzen

Denn die Frage, wo diese einmal untergebracht werden sollen, stellt sich auch in Eckental bereits. Aktuell sind es ein knappes Dutzend anerkannte Flüchtlinge, die der Verein betreut. Sogenannte „Fehlbeleger“, die irgendwann aus den Sammelunterkünften heraus müssen, andernfalls zahlt die Gemeinde eine Strafe. Doch Wohnungsangebote auf dem freien Markt: Fehlanzeige. Obwohl das Jobcenter die Miete übernimmt. Nur einen einzigen Flüchtling habe man bislang im Ortsteil Forth unterbringen können, der Rest sei auf der Suche.

„Das Problem kommt erst noch auf uns zu“, sagt Hoffmann und rechnet vor, dass die Bundesregierung davon ausgehe, dass ein Drittel der Asylbewerber anerkannt wird. Das wären über 80 Flüchtlinge auch in Eckental, die dann früher oder später eine Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt brauchen. Doch woher nehmen, wenn die Angebote fehlen? Sozialer Wohnungsbau sei also ein Thema. „Wir sehen den aber nicht auf Flüchtlinge beschränkt“. Auch die SPD im Eckentaler Rat hat das Problem erkannt und die Gemeinde aufgefordert, tätig zu werden.

Soll das Gleichgewicht erhalten bleiben, muss aus Sicht der Ehrenamtlichen aber auch die restliche Infrastruktur wachsen, etwa schulische und soziale Angebote. „Die Integrationsfähigkeit hört irgendwann auf“, weiß Hoffmann, der als Pastor 13 Jahre in Berlin gearbeitet hat. So konnte bislang nicht einmal die Hälfte der jüngeren Asylbewerber in Berufsschulklassen untergebracht werden, es fehlen Plätze in Übergangsklassen, und wenn noch mehr Menschen kommen, auch Kindergartenplätze im Ort. Die örtlichen Vereine integrierten die Flüchtlinge, wo es gehe. Aber auch da müsse man sensibel hinterfragen „Wie viel ist machbar?“.

Und auch die ehrenamtlichen Vorstände sehen mittlerweile Grenzen ihres Engagements, vor allem da, wo sie sich mit Aufgaben herumschlagen, für die sie eigentlich nicht angetreten sind. „Wir haben uns in vergangenen Monaten mehr an den Reibereien mit den Unterkünften aufgerieben, als an der Arbeit mit den Flüchtlingen“ sagt Nottbeck im Hinblick auf den Neubau in Eckenhaid.

Zwar gibt es seit dem April einen Asylsozialberater in der Gemeinde, der laut Fleck gut arbeitet. Doch der ist auch noch für Heroldsberg zuständig. „Wir brauchen weitere Unterstützung“, fordert Nottbeck. Er selbst betreut mit seiner Frau die 40 Flüchtlinge in der Klingenstraße, kümmert sich um Plätze in Kursen und Schulen, ÖPNV-Tickets und vieles mehr. Ein Fulltime-Job für das Rentnerehepaar. Andere könnten das zeitlich gar nicht stemmen. „Es ist unmöglich, als Initiative die Alltagsbegleitung für 250 Menschen zu schultern.“ Auch finanziell stoße man irgendwann an die Grenzen. Aktuell zahlt Fleck e.V. Zuschüsse etwa für Fahrtickets. „Wenn mehr Flüchtlinge kommen, können wir das nicht mehr leisten“. Er hat einen Brief an Kanzlerin Merkel geschrieben: „Es fehlt ein Plan top down“.

Einmal in der Woche treffen sich die drei in der Landeskirchlichen Gemeinde in Eschenau, bereden die Lage. Immer wieder die Reflexion darüber: Machen wir es richtig, wie behalten wir die Leute im Boot? Auch die Vernetzung von Angeboten mit denen der örtlichen Nachbarschaftshilfe ist mittlerweile ein Thema, damit kein Ungleichgewicht in der Gemeinde entsteht. Denn auch da gibt es mittlerweile Kritik. „Auch andere Bürger können von Fleck Unterstützung bekommen“, betont Nottbeck.

Um mehr Schlagkraft zu haben, hat Fleck e.V. sich Anfang Juli mit weiteren Initiativen im Landkreis zusammengeschlossen. Henning Hoffmann ist einer der drei Sprecher der neuen „Flüchtlingsinitiative Erlangen-Höchstadt“ (FiERH). Die sucht die Vernetzung, will aber auch Druck auf die Politik aufbauen, dass sich etwas bewegt, etwa im sozialen Wohnungsbau, aber auch bei der Migrationsberatung und anderen Themen. „Wir hoffen, wir bekommen so mehr Gehör“.

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