Ein Klangkünstler zwischen Berghain Berlin und Theater Erlangen

14.11.2020, 06:00 Uhr
Ein ehemaliges Heizkraftwerk, heute einer der angesagtesten Technoclubs der Welt: Im Berghain (hier Besucher der Ausstellung "Studio Berlin") hatten im Sommer Hannes Strobl und Sam Auinger ihre Klanginstallation präsentiert. Mittlerweile ist auch das Berghain wegen der Corona-Pandemie geschlossen.

© Kay Nietfeld/dpa Ein ehemaliges Heizkraftwerk, heute einer der angesagtesten Technoclubs der Welt: Im Berghain (hier Besucher der Ausstellung "Studio Berlin") hatten im Sommer Hannes Strobl und Sam Auinger ihre Klanginstallation präsentiert. Mittlerweile ist auch das Berghain wegen der Corona-Pandemie geschlossen.

Der Berliner Techno-Club Berghain ist ein faszinierender Ort. Und zwar nicht nur, weil er mehrfach als der angesagteste Club der Welt ausgezeichnet wurde und es für junge Partygänger gar nicht so leicht ist, die strenge Gesichtskontrolle am Eingang zu überwinden. Nein, es gibt noch etwas anderes: Das Gebäude, ein altes Heizkraftwerk, beeindruckt auch im leeren Zustand, alleine mit seiner Architektur. Die 18 Meter hohe Turbinenhalle etwa wirkt auf den Besucher wie eine Kathedrale des Industriezeitalters.

Hannes Strobl (54) hat aus dem Berghain ein großes, vielleicht das zeitweise größte in Deutschland existierende Instrument gemacht. Der Berliner Komponist und Klangkünstler durfte es gemeinsam mit seinem Kollegen Sam Auinger bespielen. Ausgemacht war die Aktion schon vor Corona gewesen. Aber nun erwies es sich als besonders sinnvoll, denn pandemiebedingt war nämlich (und ist bis heute) nichts zu wollen mit Tanzen und all den anderen Dingen, die normalerweise in den dunkleren Ecken des Clubs geschehen.

Die kleinen Menschlein, die im Sommer in den riesigen Hallen herumspazierten und Strobls Musik aus Bassklängen und elektronischen Elementen zuhörten, waren fast ausnahmslos begeistert. "Der Körper verwächst mit dem Boden und gibt sich unweigerlich den Schallwellen hin", hieß es in einer Kritik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Gebürtiger Österreicher

Die Zeit der Klanginstallation im Berghain ist vorüber. Aber wer sich von der Kunst des gebürtigen Österreichers und Wahl-Berliners überzeugen will, der kann das auch in Erlangen tun. Im Markgrafentheater hat er die Musik zum Saisoneröffnungsstück "Bartholomäusnacht" komponiert – und auf den Raum hin ausgerichtet. Das ist sehr wichtig, denn es geht nicht darum – wie sich das manche vielleicht vorstellen –, dass eine Komposition einfach nur vom Computer "abgespielt" werden muss.

Ein Klangkünstler zwischen Berghain Berlin und Theater Erlangen

© Harald Baumer

Hannes Strobl hat die Musik nicht nur komponiert, sondern sie auch im Detail für die Erlanger Bühne eingerichtet. Rund 80 Lautsprecher sind dort über den ganzen Raum verteilt und einzeln anzusteuern. "So etwas gibt es nur in wenigen Theatern in Deutschland", sagt der Klangkünstler.

"Den Raum hören"

Das Maßschneidern von Kompositionen auf bestimmte Räume/Gebäude hin ist eine Spezialität von Strobl. Oft sind es Kirchen, in denen seine Musik zu hören ist. Kein Wunder, denn hier ist ein entsprechend großer Resonanzkörper vorhanden. Der Berliner bespielte unter anderem schon Gotteshäuser in Braunschweig, Innsbruck, Backnang und Linz. Doch auch nicht jede Kirche ist gleich. Der Künstler muss immer vor Ort sein, "den Raum hören" und dann gleich dort seine Komposition vollenden.

Wenn er mit dem Kollegen Sam Auinger ein Gebäude erkundet, dann läuft der eine von beiden im Raum herum, der andere steuert am Computer aus. Das Klangmaterial stammt zum Teil aus dem eigenen Archiv, wird aber auch vor Ort mit dem elektrischen Kontrabass eingespielt.

Für die Erlanger "Bartholomäusnacht" stimmte sich Hannes Strobl eng mit Regisseur Thomas Krupa ab. In seinem Studio mitten im rauen, bunt gemischten Berliner Stadtteil Wedding las er den Text des Stücks und leistete viele kompositorische Vorarbeiten.

Der Faktor Klang

Warum in vielen Theatern der Faktor Klang so sträflich unterschätzt wird – ganz anders als die Sprache und das Bühnenbild etwa –, das weiß der Künstler nicht. Beim Film zum Beispiel sei das ganz anders. Da gebe es auch entsprechende Preise dafür, beim Theater jedoch nicht.

Seinen Weg zum Klangkünstler betrachtet Hannes Strobl als "ein Wunder". Es fing in jungen Jahren damit an, dass er sich die Gitarre der Schwester schnappte und darauf herumzupfte. Dann folgten eine Bandgründung, eine Ausbildung am Konservatorium (Kontrabass), experimentelle Musik in Wien und New York und schließlich der Wechsel nach Berlin.

Die deutsche Hauptstadt hält er immer noch für einen idealen Ort, um dort als Künstler zu leben und zu arbeiten. Trotz aller Verdrängung der Kultur durch die Gentrifizierung. Sein Studio immerhin scheint wegen verständnisvoller Eigentümer auf lange Zeit davor sicher zu sein.

Hier geht's zu den Berliner "Geheimtrips" von Harald Baumer.

Verwandte Themen


Keine Kommentare