Eine politische Frau

20.7.2013, 00:00 Uhr
Eine politische Frau

© Horst Linke

Politisch durchdrungen bis in die Haarspitzen: Gisela Niclas, die am Sonntag 65 Jahre alt wird, ist das, was man gemeinhin einen Homo Politicus nennt. Allein die politische Vita der SPD-Stadt- und Bezirksrätin würde Seiten füllen. Wie umtriebig sie ist, mag eine kurze Aufreihung zeigen:

Mitglied im Kreisvorstand der SPD Erlangen, stellvertretende ASF-Unterbezirksvorsitzende und stellvertretende Bezirksvorsitzende sowie Mitglied im Landesvorstand der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik. Stadträtin seit 1990, von 1990 bis 1996 zweite Bürgermeisterin und Sozialreferentin und von 1996 bis 2008 Fraktionsvorsitzende der SPD im Erlanger Stadtrat.

Aktuell ist sie Mitglied im Sozialausschuss des bayerischen Städtetags und vertritt diesen auch im bayerischen Landesbehindertenrat. 2008 wurde Gisela Niclas in den Bezirkstag gewählt, wo sie unter anderem stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie Mitglied im Sozial-, Bau- und Liegenschaftsausschuss ist.

Mindestens ebenso vielschichtig ist ihr ehrenamtliches Engagement: Gisela Niclas ist zum Beispiel Vorsitzende im ASB-Regionalverband Erlangen/Erlangen-Höchstadt, Chefin des Betreuungsvereins Betreuungsnetz und sie steht an der Spitze der Naturfreunde. Zahllos sind ihre Mitgliedschaften in Gewerkschaften, Verbänden und Vereinen.

Stark geprägt wurde Gisela Niclas vor allem von der 68er Bewegung, die sie in einer der Herzkammern der Studentenbewegung, in Frankfurt, hautnah miterlebte. Das war auch die Zeit, in der sie begann, den Eltern, beide Landwirte, Fragen zu stellen. Fragen zu deren Haltung zum Nationalsozialismus und was sie während der NS-Zeit an möglicher Schuld auf sich geladen haben.

Offen sagt Gisela Niclas heute: „Meine Eltern waren Nazis.“ Doch während ihre Mutter nach anfänglicher Euphorie sich von den kriegstreibenden Nazis distanzierte, hielt ihr Vater an der nationalsozialistischen Ideologie fest. Er saß nach dem Krieg zweieinhalb Jahre im Gefängnis, weil er an der Deportation des einzigen Juden in Niclas’ Dorf beteiligt war. „Reden war nicht möglich“, erinnert sich Gisela Niclas.

Ende der 1960er Jahre lernte sie auch ihren ersten Mann kennen. Diese „kurze, heiße Liebe“ brachte sie mit der Gewerkschaftsbewegung in Berührung und führte schließlich dazu, dass Niclas in die damalige ÖTV (Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr) eintrat. Die Liebe zu ihrem Mann endete, die Ehe wurde geschieden. Doch der Gewerkschaft blieb Niclas treu. Sie avancierte zur ersten politischen Sekretärin in der IG Metall in Stuttgart und wechselte später in die Vorstandsverwaltung der IGM nach Frankfurt, wo sie auch ihren heutigen Mann Wolfgang kennen lernte.

Ihm, der 1986 den Posten des 1. Bevollmächtigten der IG Metall in Erlangen übernahm, folgte sie 1987 in die Hugenottenstadt. Der Rest ist ein Stück Kommunalgeschichte: Gisela Niclas wurde 1990 in den Stadtrat gewählt, bewies als Bürgermeisterin und Sozialreferentin Kompetenz und führte ihre Fraktion an. Musste dann unter anderem den Verlust der SPD-Stadtrats-Mehrheit hinnehmen und eine gegen Siegfried Balleis verlorene OB-Kandidatur. Dazu sagt sie heute selbstkritisch: „Ich war nicht die ideale Kandidatin.“ 2002 wurde sie noch einmal gefragt, lehnte aber ab. Stattdessen bewarb sie sich im gleichen Jahr um ein Bundestagsmandat — und verlor. Bereut hat sie diese Kandidatur aber nicht. Immerhin habe sie bayernweit das siebtbeste Stimmergebnis geholt. Darauf ist sie noch immer stolz. „Außerdem gehört verlieren zur Demokratie.“

Auf die Frage, warum sie weiter macht, antwortet Gisela Niclas wie aus der Pistole geschossen: „Das, was ich richtig finde, will ich voranbringen. Und das lässt sich nirgendwo so unmittelbar umsetzen wie in der Kommunalpolitik.“

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