Erlangen: 1100 haben fürs Klima demonstriert

26.9.2020, 06:00 Uhr
Erlangen: 1100 haben fürs Klima demonstriert

© Foto: Harald Sippel

Jetzt, wo sich dieser bunte Zug langsam in Bewegung setzt hinaus aus dem Altstädter Kirchenplatz durch die Kirchenstraße, ein paar Pappschilder an Stecken über den Köpfen dazu im Takt wippen, hat Lennard Heimann, endlich Zeit durchzuschnaufen. Er drückt auf einen Knopf am Verstärker, Rockmusik scheppert jetzt übers Kopfsteinpflaster und selbst in den Texten geht es wieder nur um eins: Klimaschutz.

"Ich bin ganz überrascht, was heute los ist", sagt Heimann, und man kann an seinen Augen sehen, dass er lächeln muss unter der Mund-Nasen-Maske. So recht haben sie bei Fridays for Future Erlangen gar nicht gewusst, wie viele Menschen ihrem Aufruf zum ersten Klimastreik seit dem Corona-Lockdown folgen werden. "Die letzten Demos", sagt Heimann, "waren sehr, sehr klein mit einer Begrenzung auf 50 Personen. Aber eine Großdemo, die macht bei Corona sowieso keinen Sinn."

"Extra Herausforderung"

"Daher", erklärt Johannes, der sich ein Megaphon umgehängt hat, durch das er später noch kräftig Klimaschutz-Parolen rufen wird, die durch die engen Altstadtgassen hallen, "hatten wir die Idee, sechs kleinere Stadtteildemos zu organisieren." Eine "Extra-Herausforderung" war das. Immerhin musste sich das Organisationsteam, das sonst eine Kundgebung plant, aufteilen. So wurde auch Lennard Heimann zum ersten Mal Versammlungsleiter. Mit Filzstift haben sie das Wort auf ein Klebeband geschrieben und ihm hinten auf die bunte Blousonjacke geklebt. "Gerade deshalb bin ich froh, dass alles friedlich läuft. Nur lauter könnte es noch werden", sagt er. Und dann grinst er wieder.

Als die rund 350 Kinder und Jugendlichen, Frauen und Männer aller Altersklassen zum Demozug aufbrechen, wird es das auch. Einige haben Schilder mitgebracht mit längst nicht mehr neuen, aber noch immer aktuellen Forderungen für mehr Klimaschutz, mehr Umweltbewusstsein und weniger Ausbeutung der Natur und ihrer Ressourcen. "Sicher ist der Klimaschutz als Thema verdrängt worden von Corona", findet Johannes, "aber genau deshalb sind wir hier: Um dafür zu sorgen, dass es nicht hinten herunterfällt. Die Klimakatastrophe schreitet weiter voran – trotz der Pandemie."

Mutmacher aus aller Welt

Erlangen: 1100 haben fürs Klima demonstriert

© Foto: Harald Sippel

Mut macht den Veranstaltern die Gewissheit, dass viele Hunderttausende zeitgleich auf der ganzen Welt mit denselben Forderungen und Zielen auf die Straße gehen. Die Pandemie hatte die Aktivisten zu einer Pause gezwungen, sie aber nicht verstummen lassen. In Erlangen machen auch die Nachrichten in der WhatsApp-Gruppe Freude: "Wir sehen, dass es auch in den anderen Stadtteilen gut läuft", sagt Johannes. Zeitgleich hat Fridays for Future auch in Tennenlohe, Büchenbach, Alterlangen, Bruck und im Röthelheimpark dazu aufgerufen, auf die Straße zu gehen. Insgesamt, so die Veranstalter, sind 1100 Menschen gekommen, die meisten in der Altstadt.

Dass die Gruppen aufeinander zulaufen, sich vereinen zu einer großen Bewegung, das war wegen des Infektionsschutzes nicht das Ziel: "Wir wollen ja gerade, dass die Mengen überschaubar bleiben", sagt Heimann. Mehrfach hat er die Gelegenheit zwischen den Appellen in Richtung der Politikerinnen und Politiker für mehr Umweltschutz genutzt, um ans Hygienekonzept zu erinnern. Es hängt, so seine Meinung, ja so dicht zusammen: Corona und das Klima.

"Corona und das Klima hängen zusammen"

Erlangen: 1100 haben fürs Klima demonstriert

© Foto: Harald Sippel

"Zum einen begünstigt der Klimawandel Ausbruch und Verbreitung von Viren bis hin zu Epidemien und Pandemien, zum anderen sehen wir, dass selbst eine Pandemie lediglich für einem geringfügigen Rückgang der Treibhausemissionen sorgt."

Die Botschaft ist – ob Corona oder nicht – dieselbe: Es wird zwar mehr, aber immer noch viel zu wenig getan, um den Planeten zu retten. Auch in Erlangen: Lennard Heimann schüttelt nur den Kopf und verliert für einen Augenblick seine Fröhlichkeit, als es um den Einsatz von klimafeindlichen Heizpilzen geht, die nun den Umsatz der existenzbedrohten Gastwirte erhöhen sollen.

Mit seinem Unverständnis ist Heimann nicht allein unter den Demonstranten. Gerhard, 63 Jahre alt, graue kinnlange Locken, ist zum ersten Mal auf einer Fridays-for-Future-Veranstaltung. Er sagt: "Das Problem ist nicht neu, ich habe mich schon vor 30 Jahren darüber geärgert, wie wir das Klima zerstören." Ein Protest ist nur dann ein Protest, wenn man Regeln bricht – wie beim Schulschwänzen: "Hier sind die Lehrer gefragt, Lösungen zu finden. Immerhin geht es um Forderungen, für die wir alle eintreten sollten."

Häufiger auf die Straße gehen

Gerhard will häufiger fürs Klima auf die Straße gehen. "Viele können oder wollen aus Angst vor einer Infektion nicht mitmachen. Da ist es noch wichtiger, dass die, die können, Präsenz zeigen. Um zu Hause zu sitzen, ist die Sache viel zu wichtig." Dann schließt auch er sich dem bunten Zug an, der sich durch die Kirchenstraße schlängelt.

"Gerade ist es noch wichtiger, dass die, die können, für den Klimaschutz
Präsenz zeigen."

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