Erlangen: Familiäre Stimmung im Staate Dänemark

1.6.2016, 18:00 Uhr
Erlangen: Familiäre Stimmung im Staate Dänemark

© Ralph Brugger

Das Zelt ist klein und überschaubar. Trotzdem mangelt es der Technik im Inneren an nichts. Vor dem Zelt stehen ein Caféwagen und einige Tische. Im Dunkeln werden sie romantisch erleuchtet. Schon allein die niedrige Besucheranzahl sorgt für eine familiäre Stimmung, doch auch die Schauspieler tragen ihren Teil dazu bei.

Der Einstieg erfolgt mit einer Zuschauerinteraktion. Das Publikum wird kurzerhand zu einer Hochzeitsgesellschaft umfunktioniert. Jeder bekommt eine Fahne zum Schwenken und einen Part zugeteilt, den er zu rufen hat. Alle stimmen darin ein. Die Fähnchen, auf denen „Claudius und Gertrud“ steht, sind ein schönes Andenken zum Mitnehmen.

Ein witziger Hausmeister übernimmt eine Erzählerrolle und führt vor allem diejenigen in das Stück ein, die mit Hamlet nicht vertraut sind. Diese Personen haben aber auch mit dem ständigen Rollenwechsel zu kämpfen. Es ist der schauspielerischen Leistung der Darsteller zu verdanken, dass der Zuschauer trotz allem den Durchblick behält. Es ist beeindruckend, dass nur vier Personen es schaffen, diese Tragödie zu verkörpern. Alle Schauspieler meistern die Schwierigkeit der ständig wechselnden Charaktere sehr gut. Nur ein Darsteller bleibt davon verschont. Schauspieler Rafael Luca Oliveira darf sich einzig auf die Hauptrolle Hamlet konzentrieren.

Da der Stoff des großen Dramas auf zwei Stunden und wenige Schauspieler komprimiert wurde, ist vieles anders. Trotzdem müssen die Zuschauer nicht auf die Quintessenz und Aussagen wie „Etwas ist faul im Staate Dänemark“ oder das berühmte Liebesgedicht Hamlets an Ophelia verzichten.

In der Fassung des Bremer Schauspielers und Sprechers Peter Kaempfe wird jedoch Hamlets weltberühmter Monolog mit den Sätzen „sein oder nicht sein“ dramatisch verändert. Während Hamlet diese ergreifenden Worte spricht, steht er nicht alleine auf der Bühne. Noch dazu wird ein Video an die Leinwand gestrahlt, welches die Szene auf Englisch zeigt. Die ganze Kraft dieses wunderbaren Shakespeare Monologes kann so unmöglich deutlich werden. Die wohl wichtigste Szene im ganzen Stück geht unbemerkt vorüber.

Einer der Hauptcharaktere des Dramas ist Ophelia, die Geliebte Hamlets. Sie existiert in dieser Inszenierung nicht. Es wird über sie gesprochen und auch ein Video gezeigt, aber sie wird nie dargestellt. Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet die überzeugendste Person auf dieser Bühne, Christina Woike, eine Frau im richtigen Alter gewesen wäre, um Ophelia zu spielen.

Der mehrfach eingesetzte Beamer kommt in einer Szene besonders zur Geltung. Hamlet spricht so mit dem Geist seines Vaters. Für die Zuschauer sind allerdings noch weitere Überraschungen geboten. Loes Snijders singt zwei Mal in ihrer Rolle als Gertrud, und sorgt für gelungene Abwechslung.

Ein großer Pluspunkt des Stückes ist der Unterhaltungsfaktor. Es wirkt zunächst grotesk, dass manche Charaktere mit fränkischem Akzent sprechen und wieder andere, als wären sie in Shakespeares Zeiten. Diese Sprache sorgt aber immer wieder für lustige Momente. Außerdem sind mehrere Witze eingebaut. Ein Beispiel dafür ist ein Gespräch zwischen zwei Spionen. Einer der Beiden erzählt, dass sein Vater als Pförtner einen besseren Beruf hatte als er. Der arbeitete nämlich bei Macbeth. Nach der Pause zieht bei der Premiere plötzlich das Unwetter über Erlangen auf. Durch den starken Regen sind die Schauspieler schwerer zu verstehen. Diese sind aber für jeden Fall gewappnet. In ihren Rollen fordern sie das Publikum auf, sich weiter nach vorne zu setzen. Direktor Fabian Schwarz bietet außerdem am Ende der Show allen Gästen die Möglichkeit, den zweiten Teil noch einmal an einem anderen Tag umsonst anzuschauen.

Das große Finale des Dramas ist von Mord und Totschlag geprägt. Anstatt dass die Schauspieler live auf der Bühne sterben, wird jedoch auch hier wieder die Leinwand zu Hilfe gezogen. Um einen Schauspieler auf der Bühne anständig sterben zu lassen, bräuchte man weder viele Requisiten noch mehrere Darsteller. Der Einsatz der innovativen Technik nimmt so auch dem zweit wichtigsten Teil des Stückes seine Kraft.

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