Erlangen: "Gräber" erinnern an ertrunkene Flüchtlinge

28.7.2015, 18:24 Uhr
Erlangen:

© F.: Sippel

Kunst- und Performanceaktionen im öffentlichen Raum sind nicht jedermanns Sache – vor allem, wenn sie ohne Genehmigung in einer Nacht- und Nebelaktion entstehen und ebenso schnell wieder verschwinden.

Dieser ominöse Vorgang ist derzeit in Erlangen zu beobachten: In den vergangenen Tagen und Wochen sind an Orten wie dem Bohlenplatz, im Regnitzgrund oder am Langemarckplatz immer wieder kleine Gräber entstanden, auf denen zum Teil Blumen, Kreuze und Kerzen stehen.

Am Langemarckplatz etwa war das Grab gestern noch zu sehen — mit weißen Kieselsteinchen und einem in der Erde befestigten Schild. „Unknown Refugee“, „unbekannter Flüchtling“ ist darauf zu lesen — und diese zwei Worte reichen zur Erklärung im Prinzip auch schon aus.

Nur Zahlen statt Namen

Mit den auf- und ausgestellten Gräbern wollen die Initiatoren auf das Schicksal tausender Flüchtlinge aufmerksam machen, die bei der riskanten Überfahrt von Afrika nach Europa ihr Leben verlieren. Ihre Leichen werden — wenn sie überhaupt gefunden werden — aus dem Meer gezogen und auf Sammelplätzen beerdigt, eine Identifizierung ist meist unmöglich.

In den Nachrichten werden oft nur Zahlen genannt; in den Meldungen ist oft von weiteren dutzenden oder hunderten Opfern die Rede, die Toten der Bootsdramen bleiben namenlos.

Eine Aktionsgruppe, die sich „Zentrum für Politische Schönheit“ (ZPS) nennt, will diesen Menschen nun mit symbolischen Gräbern sozusagen die letzte Ehre erweisen.

In der Vergangenheit hatten die Mitstreiter immer wieder mit öffentlichkeitswirksamen Kampagnen auf Kriegsgräuel (wie ihrer Meinung nach die westliche Mitverantwortung am Massaker von Srebrenica) und politische Missstände hingewiesen.

Auch die Flüchtlingsproblematik haben die anonymen Aktivisten seit Monaten in ihre Agenda aufgenommen und mit — zum Teil umstrittenen — Veranstaltungen unter dem Motto „Die Flüchtlinge kommen“ begleitet.

Jetzt haben aller Wahrscheinlichkeit nach ZPS-Sympathisanten auch Erlangen entdeckt — und hier an verschiedenen Stellen „zugeschlagen“. Die Kritik daran ließ freilich nicht lange auf sich warten: Neben dem ein oder anderen Anwohner, der im Gespräch mit unserer Zeitung mögliche Gefahrenquellen durch entstandene Löcher am Boden betonte, hatte auch CSU-Stadträtin Rosemarie Egelseer-Thurek an den Gräbern so einiges zu beanstanden.

Sie könne den Hintergrund ja nachvollziehen, sagte die Christsoziale in der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause, möchte aber wissen, ob man solche Aktionen nicht an „sensibleren Orten“ durchführen sollte statt an solchen „Massenplätzen“? Noch wichtiger erschien der Rätin allerdings — in bester Bürokratenmanier — die Frage nach der Erlaubnis: „Wer hat denn dafür die Genehmigung erteilt“, wollte sie von der Stadtspitze wissen.

Während Kulturreferent Dieter Rossmeissl noch etwas ausweichend mit dem Satz „die Gräber hat niemand angemeldet“ reagierte, stellte Oberbürgermeister Florian Janik unmissverständlich klar: „Wir wissen nicht, woher und von wem die Gräber stammen, aber wir werten sie als kreative Guerilla-Kunstaktion und lassen sie stehen, solange sie unbeschädigt sind.“

Eigentlich, so erläuterte der Rathauschef gegenüber den Erlanger Nachrichten am Rand der Sitzung, braucht es dafür eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis, die nicht vorliegt. Aber, so sagte der OB abschließend: „Wir wollen keinen Antrag — weil wir die Sache gut und auch schön finden.“

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