Erlangen: Kreativ fürs Klima

19.11.2016, 13:00 Uhr
Erlangen: Kreativ fürs Klima

© Harald Sippel

Im Büro riecht es nach frischem Stroh. Die Tischplatte ist neu, aus gepresstem Stroh. Ein nachhaltiger Stoff. Benjamin Förtsch sitzt an seinem Schreibtisch und starrt die Wand an. Seine Wand. Es ist eine Wand voller Ideen und Inspirationen.

Bilder, Zeitungsartikel, Magazin-Beiträge, ausgedruckte Online-Berichte hängen wild durcheinander, scheinbar ohne System und im Laufe der Jahre gewachsen. Bunt und unruhig wirkt das auf den ersten Blick, irgendwann macht das Auge eine Dominante aus. Alles ist ziemlich grün.

Es geht um Design, das Bikini-Hotel in Berlin, Kaffeetassen aus Kaffeesatz. Zusammengefasst: Um nachhaltige Ideen aus aller Welt. Benjamin Förtsch, der sich selbst lieber als „Ben“ vorstellt, sammelt sie alle an seiner Wand. „Dort hänge ich alles hin, was ich im Hotel umsetzen will oder auf keinen Fall vergessen möchte.“ Manches findet der 27-Jährige toll, hat aber noch keinen passenden Einsatzort dazu. „Geordnet ist es auch. Rechts geht es um Kommunikation, links um Inspiration und Design.“

Seit zwei Jahren führt Förtsch das Creativ-Hotel Luise. Er ist ein echter Erlanger, und wer die Geschichte seines Vaters kennt, der dürfte sich über einen umweltbewussten Sohn nicht wundern. „Tatsächlich hätte ich am Anfang nie gedacht, dass ich so werde wie meine Eltern, dass ich so konsequent wie sie sein kann.“ Doch dann hat er gemerkt, wie einfach es doch sein kann, nachhaltig zu leben. Jetzt führt er das erste Hotel mit einer klimapositiven Zertifizierung.

„Auf manches habe ich schon immer geachtet, Mülltrennung zum Beispiel. Dann wurde es immer mehr.“ Förtsch sieht dabei überhaupt nicht so aus, wie man sich klischeehaft einen Vollblut-Öko vorstellt. Für den Pressetermin hat der Hotel-Besitzer ein Hemd angezogen. Nach dem Foto aber tauscht er es schnell wieder gegen seinen lässigen Kapuzenpullover.

„Es macht keinen Sinn, jemandem etwas aufzuzwingen. Das mag ich selbst nicht.“ Wenn Förtsch also seine Freunde von nachhaltig produzierter Kleidung überzeugen will, trägt er seinen Pulli oder ein T-Shirt aus Bambus-Viskose und lässt die anderen einmal fühlen. Das Material ist weich, bequem, fällt schön. „Erst danach sage ich, wie es hergestellt wurde.“

Das Argument, nachhaltige Produkte seien teuer, kann er dabei nicht zwingend nachvollziehen. Zwar sei es nicht billig, „aber auch nicht teurer als Marken-Ware“. Als Beispiel zieht Förtsch eine Teppichfliese unter seinem Stroh-Schreibtisch hervor. „Der Teppich ist zwar teuer, aber nicht teurer als ein konventioneller Teppich.“ Die Farbe ist eine Mischung aus grau und blau, das Material ist rau, aber nicht kratzig. „Das ist aus Fischernetzen gefertigt, zu 100 Prozent recycelbar.“ So etwas, solche Ideen und Produkte, faszinieren den jungen Hotel-Besitzer. „Der Teppich sieht überhaupt nicht öko aus.“

Anders als bei Umwelt- oder Öko-Hotels in der Tourismusbranche habe es ein Business-Hotel wie die Luise schwerer. Welche Firma achtet schon darauf, die Angestellten auf einer Dienstreise nach Erlangen umweltgerecht unterzubringen? „Wir versuchen, Nachhaltigkeit mit Komfort zu verbinden.“

Ben Förtsch sagt, er wäre vielleicht auch Innenarchitekt geworden. Denn Dinge müssen bei ihm nicht nur nachhaltig sein, sondern auch einfach gut aussehen. Der Erlanger wirkt modern, schick, alles andere als der Öko-Jutebeutel-Veganer. Tatsächlich aber sorgt er sich um den Klimaschütz. „Manche sind sehr extrem in ihrem Handeln. Das ist lobenswert.“

Allerdings könne man so niemanden dazu bewegen, den eigenen Lebensstil zu ändern. Und nichts anderes ist notwendig, um die Umwelt noch irgendwie zu retten. „Nachhaltigkeit ist wie eine Diät. Man muss sich umstellen und damit wohlfühlen. Sonst droht der Jojo-Effekt.“

Aufs Reisen verzichten möchte Förtsch beispielsweise nicht, mit ein paar Tipps kann man auch umweltschonend Urlaub machen. 

„Für mich ist es eine Frage der Relation: Fliege ich für ein paar Tage irgendwohin oder für mehrere Wochen?“ Je kürzer er weg fahre, desto näher sei das Ziel. „Einmal war ich in Neuseeland, umwelttechnisch ein Unding, dorthin zu fliegen. Aber als ich dort die Natur gesehen habe, wurde mir bewusst, wofür ich das alles mache.“

In diesem Jahr war Förtsch bei einem wissenschaftlichen Vortrag über Klimaschutz. Nicht sein erster Vortrag zu diesem Thema, doch einer, der ihn beeindruckt hat. „Danach waren alle schockiert.“ Die Zukunftsaussichten waren düster. „Seitdem warte ich immer auf den Moment, der alle wachrüttelt.“ Sollte der nicht kommen, will der Erlanger seine Mitmenschen weiterhin mit nachhaltigen Ideen überzeugen. Er hat eine ganze Wand voll davon.

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