Erlangen: Streit um Flüchtlingsunterkunft

21.7.2017, 12:00 Uhr
Erlangen: Streit um Flüchtlingsunterkunft

© Harald Sippel

Bei einer Informationsveranstaltung der Stadt Erlangen im Ohm-Gymnasium wurde ein Bauvorhaben in der Komotauer Straße heiß diskutiert. Auf dem Gelände des derzeit von Siemens genutzten Parkplatzes und Teilen der Grünfläche mit Spielplatz sind Übergangswohnungen für anerkannte Flüchtlinge geplant. Die Stadt Erlangen und die Regierung von Mittelfranken stellten sich den Fragen der Anwohner, die zahlenmäßig kaum in die Räumlichkeiten des "BistrOHMs" passten. An die 200 Bürger waren gekommen, um Klarheit einzufordern, nachzuhaken, sich zu beschweren.

Die direkt betroffenen Anwohner waren von Bürgermeisterin Elisabeth Preuß in einem Anschreiben eingeladen worden. Viele Anwohner aus umliegenden Straßen hatten erst von Nachbarn davon erfahren. Der Satz: "Ich habe ein Problem mit der Informationspolitik" fiel des Öfteren. Preuß reagierte und verwies auf zwei Zeitungsanzeigen und Aushänge. Für Unmut sorgte auch der Umstand, dass sich die Anwohner vor beschlossene Tatsachen gestellt fühlen. "Wir haben das Gefühl, dass alles in trockenen Tüchern ist und wir gar nicht mehr mitreden dürfen." Preuß entgegnete, das sei keine Pflichtveranstaltung für die Stadt. "Aber wir wollten Sie als Anwohner weit vorab informieren." Zunächst sprachen Preuß, Vertreter der Regierung Mittelfranken und des Bauamts über grundsätzliche Informationen zum Bauvorhaben, bevor eine anderthalbstündige Phase zum Fragen stellen und klären diente.

Der Freistaat Bayern stellt der Stadt Erlangen Fördermittel bereit, um im Rahmen des Projekts "Wohnungspakt Bayern" per Sofortprogramm 16 Wohneinheiten für 66 anerkannte Flüchtlinge zu bauen. Damit soll der Wohnbedarf, der auf dem privaten Wohnmarkt nicht vorhanden ist, ausgeglichen werden. Für 30 Prozent der Wohnungen kann die Stadt per Vorschlagsrecht auch Bedürftige unterbringen, die keine Flüchtlinge sind. Geplant sind drei Wohngebäude mit zwei Geschossen. Da auch Personen, die auf medizinische Hilfe angewiesen sind hier eine Unterkunft bekommen sollen, sind die Räumlichkeiten zum Teil barrierefrei. Es werden vorrangig Familien mit Kindern einziehen. Ein zusätzliches Gebäude mit Gemeinschaftsräumen, Verwaltungsräumlichkeiten, einem Müllraum und Unterbringungsmöglichkeiten für Kinderwägen soll ebenfalls entstehen.

Das Grundstück ist Eigentum des Freistaats. Die Stadt hat bisher die Grünfläche, auf der zum Teil ein Spielplatz steht, vom Freistaat gepachtet. Die Grünfläche bleibt durch das Bauvorhaben zu einem großen Teil bestehen. Lediglich 600 von 3600 Quadratmetern des Grüns sollen für das Bauvorhaben abgezwackt werden und dienen der Abstandseinhaltung. In erster Linie wird also die bereits durch den Parkplatz versiegelte Fläche von 1700 Quadratmetern bebaut. Die Bauphase ist von Frühjahr bis Ende 2018 angedacht.

Bei der anschließenden Diskussion wiederholte sich eine Aussage den ganzen Abend lang: "Ich verstehe den Standort nicht." Aus verschiedenen Gründen fragten sich die Anwohner, warum gerade hier? Baureferent Josef Weber versuchte die zu beantworten: "Aufgabe der Stadt ist es, neue Bürger aufzunehmen und zu integrieren – dafür gibt es keinen falschen Standort." Wichtig sei in diesem Fall vor allem die Fußläufigkeit in die Stadt und die damit auch schneller zu erreichende medizinische Betreuung.

Roman Zirngibl vom Staatlichen Bauamt ergänzte, dass auf dem Grundstück einfach Baurecht herrsche. Der Freistaat könne sich den Bau im Prinzip selbst genehmigen.

Worüber sich fast alle bis auf wenige Ausnahmen einig waren: Wir haben nichts gegen Flüchtlinge und freuen uns auf die Nachbarschaft. Als ein anderer Ton anklang, hielt Stadtrat José Luis Ortega eine flammende Rede gegen Fremdenfeindlichkeit und für Integration: "Erlangen ist offen aus Tradition!"

Das Thema Spielplatz bestimmte zum großen Teil die Diskussion. Die Anwohner brauchen diesen Raum für die Jugendlichen, die Platz haben sollen zu toben, auf Bäume zu klettern, Fußball zu spielen, hieß es. Aber auch für die anderen Generationen sei es eine wichtige Grünfläche. "Es ist klargeworden, wie wichtig der Spielplatz für Sie als Anwohner ist", betonte Preuß. Auch der Kinderstadtplan Rathenau, an dem Kinder aus dem Viertel mitgewirkt hatten, habe dies verdeutlicht. Es gäbe die Möglichkeit, den Spielplatz weiter zu bauen. "Es wird sich sehr viel bewegen", so Dietmar Radde vom Spielplatzbüro.

Bei der Parkplatzproblematik war die Stimmung im Raum besonders aufgeheizt, immer wieder gab es Zwischenrufe oder verächtliches Pfeifen und Buhen. Viele forderten, die Firma Siemens müsse stärker in die Pflicht genommen werden, eigene Parkplätze zu bauen. Weber entgegnete: Es sei leider nicht Aufgabe der Stadt, für Parkersatzmöglichkeiten der Siemensmitarbeiter zu sorgen. Den Anwohnern rate er aber bei Wunsch einen Antrag auf Parkraumbewirtschaftung zu stellen, damit das betroffene Areal in Anwohnerparkplätze umgewandelt werde.

Für Verwirrung sorgte zum Teil auch, dass eine Flüchtlingsunterkunft in Tennenlohe geschlossen wird und nun in der Komotauer Straße neue Gebäude entstehen.

 Preuß machte deutlich, dass Tennenlohe eine Erstaufnahmeeinrichtung war und damit eine Notunterkunft, wo die Flüchtlinge in Hallen untergebracht waren und die Sanitäranlagen außerhalb in Containern lagen.

Ja, sie habe gesagt, dass die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge im Moment noch sinke. Aber hier liege ein anderer Fall vor: Die Zahl der Anerkennungen von Flüchtlingen sei dagegen eben nicht rückläufig. Und daher sei der Neubau mit richtigen Wohnmöglichkeiten für anerkannte Flüchtlinge wichtig und sinnvoll. Preuß schloss den Abend nach über zwei Stunden Information und Diskussion. "Ich verstehe, dass das Thema Ängste auslöst. Wir stehen auch nach dem heutigen Abend jederzeit für Fragen zur Verfügung. Die rege Beteiligung zeigt, dass die Sache ein großes Anliegen für Sie ist. Wir wollen als Stadt mit Ihnen im Gespräch bleiben."

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