Erlangen: "Terror — können Sie uns das erklären?“

23.1.2015, 16:54 Uhr
Erlangen:

© Foto: Harald Sippel

Die jüngsten Anschläge islamistischer Terroristen in Paris, bei denen zwölf Menschen starben, gehören eigentlich nicht zum Unterrichtsstoff. Doch die Ereignisse beschäftigen natürlich auch Jugendliche und werden deshalb thematisiert. In der Werner-von-Siemens-Schule bestand in den letzten beiden Wochen jedenfalls Gesprächsbedarf – auch im Islamunterricht.

„Können Sie uns das erklären?“ fragten muslimische Schüler ihren Lehrer Amin Rochdi. Genauso — oder vielleicht sogar noch mehr — wie ihre nichtmuslimischen Mitschüler haben die Ereignisse sie verstört. „Die Schüler lernen zuhause, in der Moschee oder auch in der Schule den Islam als eine friedliche Religion kennen“, sagt Amin Rochdi. „Das, was in Paris passiert ist, können sie nicht zusammenbringen mit der Religion, die sie leben.“ Hinzu komme, dass sie sich nun plötzlich für ihre Religion rechtfertigen müssten. Das dränge sie an den Rand. Oder zumindest bestehe diese Gefahr.

Gegenseitige Akzeptanz

Eigentlich gehen die Bestrebungen an der Werner-von-Siemens-Realschule jedoch ganz klar in eine andere Richtung. Die gegenseitige Akzeptanz der Schüler unterschiedlicher Herkunft und Religion zu festigen, ist das feste Bestreben der Schulleiterin Klaudia Gruber. „Für mich ist wesentlich, dass wir das Zusammenleben als Selbstverständlichkeit nehmen“, sagt sie und knüpft damit an die Arbeit ihres Vorgängers Claus Güllich an.

Mit konfessionsübergreifenden Veranstaltungen wie Ausflügen, Kochen oder Tanzen wolle man in Zukunft noch mehr den Anlass für Begegnungen von Schülern, Eltern und Lehrern schaffen — ganz im Sinne des vom Kultusministerium angestoßenen Schulentwicklungsprogramms. Zudem finden bereits seit einiger Zeit neben christlichen auch muslimische Feste Eingang ins Schulleben. Das muslimische Fest des Fastenbrechens wurde in den letzten drei Jahren von Muslimen und Nichtmuslimen zusammen gefeiert. Schule müsse als Lebensraum wahrgenommen werden, findet Klaudia Gruber. Sie müsse fester Bestandteil des Stadtteils sein, sagt Amin Rochdi.

Derzeit erteilt der Lehrer – in Deutschland geboren, mit marokkanisch-italienischen Wurzeln — an der Werner-von-Siemens-Schule 113 von 122 muslimischen Schülern Islamunterricht. 850 Jugendliche besuchen die Schule insgesamt. Sie haben die Wahlfreiheit zwischen „Islam“, evangelischer und katholischer Religion und Ethik.

Genauso wie die Schüler der Eichendorffschule, der Pestalozzischule und der Grundschule Brucker Lache – vor 13 Jahren die erste Schule in Bayern mit Islamunterricht — , die von Nuriye Özarslan unterrichtet werden. Die Grundzüge des Islam erarbeitet die türkischstämmige Lehrerin mit den Schülern, auch anhand des Korans – „die Kinder brauchen den planmäßigen Unterricht“, meint sie. Toleranz sei der Grundzug des Islam, betonte sie schon bei früherer Gelegenheit im Gespräch mit unserer Zeitung. Immer wieder initiiert sie Veranstaltungen für Kinder unabhängig von ihrer Religion, um das gegenseitige Kennenlernen zu fördern. Der Islamunterricht und das Zusammenleben von Kindern unterschiedlicher Konfession sei gleichermaßen Normalität, sagt Elif Lalla, die Leiterin der Grundschule Brucker Lache.

Für Muslime und Christen sei es — um Ängste abzubauen — wichtig, die jeweils andere Religion kennenzulernen, sagt auch Amin Rochdi. Neben seiner Tätigkeit an der Werner-von-Siemens-Realschule hält er Seminare an der Uni Erlangen-Nürnberg und arbeitet an seiner Promotion über muslimische Jugendliche.

Seit Dezember ist er staatlich zertifizierter Berater für interkulturelle Schulentwicklung – und hat derzeit sehr viele Anfragen. Ob Lehrerfortbildungen oder Unterrichtsentwicklung — die Beraterfunktion mit Leben zu füllen, dürfte ihm in nächster Zeit nicht schwer fallen.

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