Erlanger Ärzte gegen Abschiebung von Afghanen

14.3.2017, 15:00 Uhr
Erlanger Ärzte gegen Abschiebung von Afghanen

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Offene Briefe schreibt der Hausärzteverein eher selten – und noch seltener adressieren die Mediziner aus Erlangen und Umgebung ein Schreiben wohl an die höchste Stelle der Staatsregierung. Im Fall der derzeit verschärften Abschiebepraxis, insbesondere afghanischen Flüchtlingen gegenüber, aber hat der mehrköpfige Vorstand genau das gemacht – und sich mit einem Appell für einen sofortigen Abschiebestopp an Ministerpräsident Horst Seehofer und den in Erlangen lebenden Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) gewandt.

In dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, berichten die Unterzeichner von ihren — überwiegend ehrenamtlichen — Erlebnissen in Sammelunterkünften und Praxen mit meist schwer traumatisierten Flüchtlingen, die nun an den Hindukusch zurück sollen: "in ein nach wie vor durch Terror, Krieg, Korruption und vollkommen desolate Wirtschaft zerrissenes Afghanistan, das von Ihnen als sicheres Herkunftsland bezeichnet wird", wie es in dem Offenen Brief heißt.

Seit einiger Zeit träfen die ersten Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein, "vorwiegend Ablehnungen", ist in dem Papier zu lesen. Die Betroffenen, die sich bisher höchst motiviert und integrationswillig gezeigt hätten, würden "regelrecht zusammenbrechen". Die Verfasser sprechen Seehofer und Herrmann in dem Papier direkt an: "Ihre rigorose Politik widerspricht humanitären Grundsätzen und führt all die aufwendigen und kostenträchtigen Integrationsmaßnahmen ad absurdum". Das Schreiben endet mit den Forderungen nach einem Abschiebestopp, nach gesicherten Ausbildungsverhältnissen und offiziellen Arbeitsvisa für Afghanen.

"Wir haben uns bewusst so deutlich geäußert, weil uns die Sache am Herzen liegt und wir zeigen wollen, was die Folgen dieser Politik sind", erläutert auf Anfrage Michael Thümmler, Vorstandsmitglied des Hausärztevereins und Mitinitiator des Schreibens.

"Wir haben uns zu diesem Offenen Brief entschlossen, weil wir die Politik in München im Moment für falsch halten", sagt der Arzt. Es sei unmenschlich, jemanden in ein Land zu schicken, in dem Krieg und Zerstörung auf der Tagesordnung ständen. Das habe der IS-Anschlag auf ein Krankenhaus in Kabul mit mehr als 30 Todesopfern und rund 60 Verletzten in der vergangenen Woche gezeigt.

Wichtig ist Thümmler, der selbst CSU-Mitglied ist, dass das Schreiben als parteiunabhängiger Ärzte-Protest zu sehen ist. Darauf weist auch der Vorsitzende des Hausärztevereins (und zugleich SPD-Mitglied und früherer Stadtrat) Markus Beier hin. "Bei unserer Kritik geht es nicht um SPD oder CSU, sondern um die Sache."

Er und seine Kollegen hätten unter den behandelten Flüchtlingen keinen gefunden, der seine Heimat aus nichtigen Gründen verlassen habe: "Wer solche Lebensgeschichten gehört hat, muss einfach aktiv werden."

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