Erlanger Kunstverein sorgt mit Schau für Irritationen

3.11.2018, 18:00 Uhr
Erlanger Kunstverein sorgt mit Schau für Irritationen

© Harald Hofmann

Schon der Blick von der Straße in die Galerie verrät: Diese Exponate sind eine Rarität und entziehen sich ein wenig dem normalen Kunstbetrieb. Das liegt an Format, Material und Arbeitsweise. Ergül Cengiz enthüllt und verhüllt Räume und Sichtachsen gleichermaßen – und zwar mit großen Vorhängen aus kunstvoll zugeschnittenem Papier.

Das Grundthema der 43-Jährigen, die – in Moosburg geboren – heute in München lebt und arbeitet, ist das Ornament, das in der islamischen (also auch türkischen) Kultur eine große Rolle spielt, da es das Bilderverbot im Islam unterläuft und Malerei wie Skulptur gleichermaßen ermöglicht. Das drückt sich in den im Kunstverein ausgestellten Gemälden und Objekten so aus, dass sie, von ornamentalen Grundformen ausgehend, diese so lange wiederholt und modifiziert, dass ein irritierendes Geflecht entsteht, in dem diese Ornamente immer wieder auftauchen.

Ihre "Vorhänge" – große Formate mit bis zu sechs Quadratmetern – wirken wie ironische Kommentare zu Harems oder Moscheen, wo die Frauen durch Gitter den Blicken der Männer entzogen werden. Auch im Kunstverein verwehren ihre Vorhänge aus riesigen Papierbahnen den unverstellten Blick auf die dahinter befindlichen Malereien und es ist keineswegs immer klar, ob der Besucher "davor" oder "dahinter" ist. Ergül Cengiz will den Betrachter in die Irre führen.

Technisch sind diese Vorhänge aufwendig gemacht: Auf großen Papierbahnen werden die Muster als Linien vorgezeichnet, mit einem scharfen Papiermesser werden die "Negative" ausgeschnitten, die filigranen Papierstrukturen werden danach mit Ölfarbe behandelt. So entsteht ein "Gitter", das aus der Distanz nach brüniertem Metall aussieht, aus der Nähe aber seine ganze Fragilität und Leichtigkeit offenbart.

In früheren Ausstellungen hat Ergül Cengiz Landschaften auf die Leinwand gebannt, hat ihre Liebe zur Natur, zu Büschen und Bäumen thematisiert. Auch hier sind ihr Blickbeziehungen wichtig, spielen Horizont und Tiefe eine große Rolle. Mit dem Ornament als Thema hat sie nun ein neues Terrain betreten. Hier bedient sie sich des kristallinen Girih-Musters, jener Kombination aus fünf geometrischen Mustern, die Zehneck, Sechseck, Fünfeck, Rhombus und Fliege umfassen, die sich in der Geschichte der islamischen Buchmalerei ebenso finden wie im Kunsthandwerk und in der Architektur. Wer in der Alhambra im andalusischen Granada die Stuckarbeiten islamischer Handwerker und Architekten an Portalen und Decken bewundert hat, wird Ergül Cengiz’ Vorhänge zu schätzen wissen.                                      PETER MILLIAN

Ergül Cengiz, "Hinter Gittern", Kunstverein Erlangen, Hauptstraße 72. Bis 22. November, Di./Mi./Fr. 15 bis 18, Do. 15 bis 19, Sa. 11 bis 14 Uhr.

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