Erlanger Professor: Mit revolutionärer Therapie gegen Krebs

28.6.2014, 06:00 Uhr
Erlanger Professor: Mit revolutionärer Therapie gegen Krebs

© Harald Sippel

Die Idee klingt einfach. Professor Christoph Alexiou packt in einen Transporter ein Medikament und lässt den Transporter dann exakt an die Stelle fahren, an der das Heilmittel gebraucht wird. Genial wird die vermeintlich einfache Idee durch die Dimension, in der der Erlanger Arzt und Wissenschaftler agiert: Alexious Transporter ist ein Nanoteilchen. Der Millionste Teil eines Millimeters. Vorstellen kann man sich die Winzigkeit des Teilchens kaum.

Eine Ahnung davon bekommt man, wenn man weiß, dass in den Punkt über diesem "i" weit mehr als zehn Milliarden Punkte mit dem Durchmesser eines Nanometers passen. Und der Transporter fährt natürlich nicht auf Straßen, Alexiou steuert das Gefährt in Arterien, derzeit noch bei Versuchstieren. Der Arzt dirigiert sie genau dorthin, wo das Medikament wirken soll.

Zum Beispiel in die Halsschlagader, wo das Medikament, meist ein entzündungshemmendes Mittel, dann gegen einen üblen Feind der Menschen, gegen Plaques, kämpft. Plaques sind Ablagerungen an den Gefäßwänden, die den Durchfluss des Blutes stören oder verhindern. Die Folgen von solchen Stenosen oder Verschlüssen sind oft dramatisch. Klinisch heißt das dann Schlaganfall oder Herzinfarkt. "Die Killer Nummer eins", wie auch die habilitierte Biologin Iwona Cicha betont, die den Bereich der kardiovaskulären Nanomedizin betreut.

Starkes Magnetfeld

Die Nanoteilchen mit dem Medikament sind an Eisenoxidpartikel gekoppelt. Alexiou spritzt den Mini-Cocktail - den Transporter mit dem Heilmittel - in eine Arterie. Sein Ziel findet der Transporter durch ein starkes Magnetfeld - das zieht die Nanopartikel und das Medikament an die Stelle der Ablagerung, in den Plaque und die Plaque-Region. Der Vorteil des Verfahrens liegt auf der Hand. Das Medikament kommt exakt dorthin, wo es wirken soll. Eine viel geringere Dosis erzielt eine viel höhere Wirkung als eine Pille, die der Patient sonst schlucken müsste - und ein schonenderes Verfahren wäre es ohnehin.

In manchen Fällen könnten sich Patienten eine Operation und eine Narkose sparen. Für ältere Menschen, die ja gerade von atherosklerotischen Erkrankungen wie den Plaques betroffen sind, oft ein entscheidender Vorteil. "Es geht um die Menschen, um den Benefit für die Patienten", sagt Alexiou. "Die Nano-Medizin ist mein wissenschaftliches Baby." Dass das Baby erwachsen wird, dass die Medikamente tatsächlich eingesetzt werden, dafür arbeitet Alexiou - gleichzeitig wie eine Mutter und ein Vater. "Dann geht ein medizinischer Lebenstraum in Erfüllung."

Für Alexoiu ist das keine leere Phrase. Alexiou meint, was er sagt. Eigentlich hat er drei Jobs. Er ist einmal Wissenschaftler, der forscht, der ein Team aus Biologen und Chemikern koordiniert - alle ausgewiesene Experten auf ihren Gebieten. Gemeinsam baut das interdisziplinäre Team an dem besten Transporter mit dem effektivsten Medikament. Aber nicht immer ist ein schneller Transporter auch ein effektiver Medikamentenverteiler. An der besten Kombination schmieden die Mediziner, Biologen und Chemiker.

Arzt, Forscher und Manager

Christoph Alexiou ist gleichzeitig Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Der Professor behandelt nach wie vor Patienten am Uniklinikum, er operiert selbst noch. Alexiou ist bewusst Arzt geblieben: Damit er genau weiß, wo und wie die Wissenschaft helfen soll. "Man muss beide Welten kennen", sagt er. Alexiou ist aber auch noch Manager. Er muss Geld reinholen, damit er seine Forschung vorantreiben kann, damit er sein Team bezahlen kann.

Er muss Institutionen wie die EU, wie das Forschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft oder Stiftungen überzeugen, dass sie die Arbeiten finanziell unterstützen. Deshalb sucht Alexiou auch die Öffentlichkeit. Seine Hoffnung ist: Wenn die Menschen wissen, wie effektiv die Nanomedizin helfen kann, ist die Bereitschaft größer, dafür zu investieren.

Alexiou hat gute Argumente. Sein Prinzip funktioniert auch beim Killer Nummer 2 der heutigen Menschen: bei Krebs. In diesem Feld befördert der Transporter eben Chemotherapeutika. Alexiou hat schon beachtliche Erfolge erzielt. Bei turmortragenden Tieren haben sich Tumore bereits nach elf Wochen zurückgebildet.

Die "drei G der Forschung"

Man braucht die "drei G der Forschung" sagt Alexiou und lächelt dabei: "Glück, das haben wir schon, wir arbeiten in der Glückstraße, Geduld - die haben wir auch, und Geld - das versuchen wir zu akquirieren."

Der nächste Schritt, den Alexiou gehen will, ist die Herstellung der Medikamententransporter nach pharmazeutischen Richtlinien in Zusammenarbeit mit der Apotheke des Uniklinikums Erlangen, um die Voraussetzungen zu schaffen, menschliche Probanden zu testen: Damit die Therapie zugelassen wird und sich zu einem Standardverfahren entwickeln kann. Dann wäre sein medizinisches Baby erwachsen und der Arzt Christoph Alexiou, der Menschen helfen will, zufrieden.

Keine Kommentare