Erlanger Tafel bietet seit April einen Hauslieferservice an

7.7.2017, 18:00 Uhr
Erlanger Tafel bietet seit April einen Hauslieferservice an

© Foto: Micha Schneider

Die Atmosphäre in der Wohnung ist ein bisschen beklemmend, als sich die Tür schließt. Eng ist es hier, irgendwie kahl und nicht wirklich einladend. Eine ältere Dame sitzt auf einem Sessel im kleinen Wohnzimmer. Angeschlossen an ein Sauerstoffgerät. Die 73-jährige leidet schon länger an einer COPD-Erkrankung, nun kam auch noch Lungenkrebs hinzu. "Geben Sie nicht auf", ruft ihr Sieglinde Höps-Irlinger beim Abschied zu. Dann schließt sich die Tür wieder, und die ältere Dame bleibt zurück.

Allein. Nur mit sich, ihrer Krankheit und dem Korb an Lebensmitteln, den ihnen Sieglinde Höps-Irlinger und ihr Kollege Peter Wiesmüller, zwei ehrenamtliche Mitarbeiter der Erlanger Tafel, mitgebracht haben. Brot, Obst und Gemüse, eine Dose Ravioli mit Nudeln, Käse, Reis, Mehl, Zucker, Haferflocken, eine Flasche Spülmittel und heute auch eine Flasche Öl. Eben das, was man zum Leben benötigt.

Sieglinde und Peter arbeiten beim Pilot-Projekt "Tafel mobil", einem Hauslieferservice, der sich um Bedürftige kümmert, die den Weg bis zur zentralen Ausgabestelle in der Schillerstraße aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr schaffen. "Ich musste sonst immer mit dem Rollstuhl zur Tafel, das war für mich sehr belastend", sagt die ältere Dame in der Wohnung.

Nicht nur für sie ist das spendenfinanzierte Projekt ein Segen. "Ich bin total dankbar, dass es die Leute gibt, sonst würde es schlecht aussehen", sagt eine andere Frau, die ebenfalls den kostenlosen Service der Tafel in Anspruch nehmen muss, weil sie einfach nicht mehr zur Tafel kommen kann und das Geld nicht reicht. "Die Not der Leute verschwindet ja nicht, nur weil sie außerhalb ihrer vier Wände nicht mehr sichtbar wird", sagt Gertrud König, die Leiterin der Erlanger Tafel. Auf Dauer soll aus dem Pilotprojekt deshalb auch möglichst ein Regelangebot werden. Dafür braucht es vor allem zusätzliche Lebensmittelspenden und weitere ehrenamtliche Helfer.

"Ihr seid Engel"

Helfer wie Sieglinde und Peter, die jeden Mittwochnachmittag mit einem kleinen Bus auf Tour durch Erlangen fahren. Meist sind die beiden etwa drei Stunden unterwegs, davor packen sie die Lebensmittelkörbe ein und verstauen sie im Bus. "Mir macht die Arbeit Spaß, weil ich sehe, wie wichtig das für die Leute ist und wie sie sich darüber freuen", sagt Sieglinde, die seit einem Jahr bei der Tafel aktiv ist. "Ich bin oft erschüttert, was es für Geschichten gibt. Es ist schon etwas anderes, wenn man nur darüber liest, als es hautnah mitzuerleben", sagt Sieglinde. "Man muss das Leid aber auch ausblenden können", ergänzt Peter.

Peter Wiesmüller ist vor fünf Jahren bei einem Stand vor einem Einkaufszentrum auf die Tafel aufmerksam geworden. "Ich dachte mir, da rufe ich mal an." Ein Anruf, den er nicht bereuen sollte, denn seitdem ist der 69-jährige Rentner ehrenamtlich für die Tafel tätig. Während er am Mittwochnachmittag in den angefahrenen Wohnungen meistens gerade noch die Lebensmittel auspackt, ist seine Kollegin schon mitten in einem Gespräch vertieft.

Es sind keine einfachen Gespräche, die die beiden da führen. Es geht um Krankheiten, Geldmangel, andere Sorgen. "Manche brauchen uns einfach, um etwas los zu werden", sagt Sieglinde. Viele bieten den beiden natürlich auch an, länger zu bleiben.

Doch die nächste Person wartet meistens schon. Auf ein Gespräch, auf die Lebensmittel. Die nächste Geschichte, das nächste Leid. Irgendwo, mitten in einer lebendigen Stadt. Aber dennoch einsam und allein in den eigenen vier Wänden. "Die Leute sagen oft: Ihr seid Engel", berichtet Sieglinde. Engel, die aber auch nur kurz für ein Lächeln im Gesicht der Betroffenen sorgen können. Denn irgendwann fällt die Tür wieder ins Schloss. Die beiden Tafel-Mitarbeiter sind dann wieder weg – das Leid der Menschen aber bleibt.

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