Erlanger über Trump: Clever, gerissen und verlogen

8.2.2020, 14:00 Uhr
Präsident der USA: Donald Trump.

© Foto: Tom Brenner/afp Präsident der USA: Donald Trump.

Brian Oliver, Geschichtslehrer an der Franconian International School: Jedes Impeachment-Verfahren ist natürlich ein großes Thema für jeden Amerikaner. Auch in Deutschland werde ich darauf angesprochen, wenn jemand hört, dass ich aus den USA komme – aber das passiert nicht mehr häufig. Ich denke, weil – wie auch beim Brexit – der Höhepunkt der Debatten zurückliegt. 


Amtsenthebungsverfahren abgeschmettert: Trump bleibt US-Präsident


Es überrascht ja auch nicht wirklich, dass es zu einem Amtsenthebungsverfahren gekommen ist, wenn man einen Präsidenten hat, der während seiner Präsidentschaft, aber auch schon weit zuvor, häufig in Konflikt mit dem Gesetz geraten ist. Ich denke, die Amerikaner sind ein wenig müde geworden in dieser Debatte, man will – auch im Impeachment – einfach, dass schnell eine Lösung herbeigeführt wird, dass das Land wieder zur Ruhe kommt. Wie auch immer die aussehen mag, auf beiden Seiten – das ist nicht vorhersagbar.

Ich lebte und arbeitete zuletzt acht Jahre in Hongkong, dort habe ich bis 2016 auch Politik unterrichtet – die Schüler waren überwiegend US-Amerikaner. Das war erst spannend, dann aber wurde es immer schwieriger, weil man als Lehrer ja politisch neutral sein soll. Das blieb ich immer, merkte aber, dass meine Schüler in Diskussionen überwiegend die Seite vertraten, die ich auch vertrete. Das wurde immer klarer, weil die Linien, die Fronten in Sachen Trump immer schärfer gezogen wurden – dadurch wurde dieses Neutralität schwierig. Daher war ich sehr froh, dass ich ab 2016 dann keine Politik mehr unterrichten musste. Als Amerikaner besitzt man grundsätzlich großen Nationalstolz, das ist in unserem Volk so drin. Daher hat man auch großen Respekt vor dem Präsidenten, normalerweise. Ich schäme mich jetzt nicht für ihn, das wäre das falsche Wort, aber ich bin doch peinlich berührt über so vieles, was an die Öffentlichkeit kommt. Da nimmt unser Land weltweit großen Schaden, finde ich.

Auch wenn das Impeachement-Verfahren kein vorzeitiges Ende der Amtszeit herbeigeführt hat, hoffe ich auf ein klares Ergebnis in der Wahl 2020. Dann ist auch die Frage, wer auf Trump folgen wird, das werden schwierige Jahre, eine große Aufgabe. 

Nur eine Schein-Entlastung

Prof. Heike Paul, Inhaberin des Lehrstuhls für Amerikanistik an der Erlanger Uni: Schon am 10. Februar fliege ich für ein halbes Jahr in die USA — als Fellow im Thomas-Mann-Haus in Kalifornien. Aber Kalifornien hätte Donald Trump ja nie gewählt. Im Moment ist wieder so eine Phase in Amerika, in der man gar nicht weiß, wo man zuerst hingucken soll: Wir hatten das Impeachment, wir haben die Vorwahl mit der komischen Geschichte in Iowa ohne Ergebnis und so weiter und so fort. Die Gefahr ist natürlich immer — und wir wissen ja von Trump, wie gut er das kann —, dass er mit dem Abbrennen von Feuerwerken ablenkt von Sachpolitik. Es geht bei ihm immer auf Kosten der sachlichen Auseinandersetzung. Egal, ob Machtmissbrauch vorliegt oder nicht: Trump koppelt die Wahrheit ab — und legt alles für sich aus. Der US-Präsident und seine Anhänger verstehen es nämlich, immer alles als Entlastung zu feiern, auch wenn es gar keine Entlastung für ihn ist. Das war schon beim Mueller-Report so, und das war nun auch beim Impeachment wieder so. Es ist eine Schein-Entlastung, die am Ende steht.

Was aber das Impeachment schon gezeigt hat, ist, dass jetzt zwei Gruppen zusammengekommen sind und sich hinter Trump geschart haben. Das sind zum einen natürlich seine Anhänger, seine Basis. Das ist zum anderen aber auch noch mehr als bisher die republikanische Partei. Bisher haben die Republikaner ihm einen Raum gegeben, das zu tun, was er tut. Aber spätestens mit dem Impeachment sind sie zu aktiven Komplizen geworden. Letztlich hat das System Trump mit dem Impeachment die Partei übernommen. Es ist eine neue Dimension, dass ihn die Partei jetzt so unterstützt.

Wie es es jetzt nach dem Impeachment-Verfahren weitergeht gerade auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen im November? Das hängt vor allem von den Demokraten selbst ab. Mit Iowa war es keine so rühmliche Performance. Es gibt Stimmen, die sagen: Eine gemäßigte Person hat bessere Chancen als eine, die dem linken Flügel angehört.

Und für Trump? Er triumphiert nach dem Impeachment über den politischen Gegner, die Polarisierung in den USA wird weiter zunehmen, die wahnsinnige Fremdenfeindlichkeit, die an eine Zeit wie vor 100 Jahren erinnert, weitergehen.

Die Frage ist, wann beziehungsweise ob man überhaupt wieder zurückkehrt zu den Standards, die eigentlich das System normativ regeln. Und: Ob eine andere Person das, was jetzt unter Trumps Amtszeit kaputt geht, irgendwann wieder herstellen kann?

Ein Spieler und Lügner

Tim Brown ist Musiker und Entertainerund stammt aus Minnesota.Brown lebt seit 1991 in Erlangen: Die Deutschen verstehen oft nicht, dass es nicht "die Amerikaner" gibt. Das ist ein großes Land, die Menschen haben nicht nur unterschiedliche Dialekte, sie haben verschiedene Kulturen, unterschiedliches Klima, unterschiedliche Meinungen. Minnesota, woher ich stamme, ist nicht Texas, New York City, nicht Los Angeles und Kalifornien mit seinen Erdbeben und seiner warmen Sonne, nicht Boston mit seinem Regen und seinem Herbst.

Als ich nach Deutschland kam als Soldat vor Jahrzehnten, da dachte ich auch anders als jetzt. Das Leben in Deutschland hat mir beigebracht, Dinge anders zu sehen. Das verstehen viele Freunde aus den USA nicht, etwa, wenn ich über den Irrsinn spreche, dass wir zehn verschiedene Arten haben, ein Feuerzeug zu benutzen oder eine Sicherung von einer Medizinflasche zu öffnen. Aber wir bekommen es nicht hin, Waffen so zu sichern, dass Kinder sie nicht einfach benutzen können. Das wird sich unter Trump auch nicht ändern, auch wenn wir längst die Technologien für so eine Sicherung hätten – weil er das gar nicht will und es für ihn Freiheit bedeutet. Das gefällt vielen Amerikanern, ihnen geht es gut unter ihm, Amerika wird wieder groß – die Menschen verdienen mehr, sie können sich eigene Häuser kaufen und Waffen, wenn sie möchten. Ich denke aber, dass diese Freiheit verlogen ist und irgendwann finanziell kollabieren wird. Er gibt den Menschen, was sie wollen, um an der Macht zu bleiben, er ist clever, gerissen. Und wenn ich das auf Facebook schreibe, verliere ich tatsächlich Freunde. Daher habe ich eigentlich aufgehört, über Politik zu sprechen.

Gerade erst habe ich die Sendung "State of Union" geguckt, er hilft dort alleinerziehenden Müttern, dass ihre Kinder in die Schule gehen können. Er hilft Army-Veteranen, vom Kokain und unter der Brücke wegzukommen. Viele dieser Menschen sind Schwarze, sie feiern ihn dafür – und vergessen, was für rassistische Parolen er über sie sagt. Oder wie er über Frauen spricht. Er spielt mit ihnen, weil er sie braucht für die Wahl. Und sie gehen ihm in die Falle. Auch hat er beim Superbowl, diesem Megaevent für jeden Amerikaner, Werbung gemacht. Dabei ist die Wahl im November – wie clever ist das?

All das zeigt aber, dass er kein Politiker ist, sondern ein mindestens dubioser Geschäftsmann. Er ist ein Spieler, ein Mann von der Wall Street. Das vergessen die Menschen immer wieder. Das beunruhigt mich. Ich schau viel CNN, ich bin ein Fan von Chris Cuomo und seinem "Fact Check" – regelmäßig überführt er ihn der Lüge. Aber es hilft nichts, weil er es mit "Fake News" wegbügelt. Er dreht die Fakten, er benutzt die Menschen und so wird es weitergehen. Vermutlich auch nach der Wahl.

 

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