Fahrradkonferenz in Erlangen: Buhrufe für Minister

16.11.2016, 06:00 Uhr
Auf diesem Archivfoto zeigt der Nürnberger Planungsreferent Daniel Ulrich, wo es sinnvolle Trassenvorschläge für Radschnellwege im Ballungsgebiet Nürnberg gibt.

© dpa Auf diesem Archivfoto zeigt der Nürnberger Planungsreferent Daniel Ulrich, wo es sinnvolle Trassenvorschläge für Radschnellwege im Ballungsgebiet Nürnberg gibt.

"Was können Bund, Länder und Kommunen dazu beitragen, Innovationen im Radverkehr zu finden und umzusetzen?" Diese Frage bewegte bereits von Anfang an Technik-Experten wie Radwegeplaner und führte im Rahmen einer Podiumsdiskussion im überfüllten E-Werk-Saal zu einer interessanten Kontroverse zwischen Bayerns Verkehrs- und Innenminister Joachim Herrmann und dem Stuttgarter Technik-Historiker Reinhold Bauer. Darin ging es um die Frage, ob eine Ausweitung des Radverkehrs in den Städten zwangsläufig zu Lasten des Autoverkehrs gehen müsse. Dies hatte der Stuttgarter Wissenschaftler als "zwangsläufig" dargestellt, Herrmann plädierte jedoch – heftig ausgebuht – für ein "partnerschaftliches Miteinander", da das Auto unverzichtbar bleibe.

In die gleiche Kerbe wie Herrmann hieb auch Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Auch er warnte vor dem Bau von Feindbildern und verwies darauf, dass trotz aller gegenteiliger Bemühungen immer noch viele innerstädtische Kurzstrecken mit dem Auto absolviert würden. Zudem werde der Lieferverkehr zukünftig eher zu- denn abnehmen.

Schneller Verkehr durch Rad-Autobahnen

Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, darunter auch Fürths Landrat Matthias Dießl – er ist derzeit Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) in Bayern –, dass die Radwege-Infrastruktur weiter verbessert werden müsse. Vor allem in den Verkehrsbeziehungen zwischen Stadt und Land verspricht man sich viel von den sogenannten Rad-Autobahnen, die einen schnellen und möglichst Hindernis-freien Radverkehr ermöglichen sollen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Radverkehr durch neue Techniken wie elektrische Antriebe auch im Durchschnitt immer schneller wird.

Der Chefredakteur der Nürnberger Zeitung, André Fischer, appellierte an die Kommunalpolitiker, bei der Förderung des Radverkehrs mehr Mut zu zeigen – als Beispiel nannte er die kleinliche Debatte um die Freigabe des Nürnberger Hauptmarktes für Radfahrer.

Berge kein unüberwindliches Hindernis mehr

In der "Elektrifizierung" des Radverkehrs sieht Herrmann eine weitere Chance, den Radverkehr auszuweiten. In Städten und Landkreisen, in denen bisher die Topografie das Radfahren unattraktiv gemacht habe, würden künftig Hügel und Berge kein unüberwindliches Hindernis für den Umstieg auf das Fahrrad mehr darstellen – so seine Prognose.

Wichtig sei aber auch, so der Minister, die verschiedenen Verkehrsmittel besser miteinander zu vernetzen. Im Ausbau des S- und U-Bahn-Netzes im Großraum Nürnberg scheine dies zu gelingen – die übervollen Fahrradparkplätze an den Bahnhöfen seien ein gutes Zeichen: "Man sieht daran, dass wir eine Mobilitätsentwicklung für alle brauchen. Die Epoche, in der die Politik sich bemüht, jemandem ein bestimmtes Verkehrsmittel zu vergällen, ist längst vorbei."

"Abschied von Autokultur"

Technik-Historiker Bauer – er hatte in einem Rückblick auf die Geschichte des Fahrrads deutlich gemacht, dass erst die Massenproduktion des Fahrrads die Voraussetzungen für die heutige Automobilindustrie geschaffen hat – blieb aber bei seiner Einschätzung, "dass eine fahrradgerechte Stadt automatisch eine auto-ungerechte Stadt ist – der zunehmende Radverkehr schafft ja erst den Platz für die Autos." An die heilsame Wirkung der Elektrifizierung des Automobils glaubt er deshalb nicht – "der Abschied von den Reiselimousinen ist auch der Abschied von der bis heute bestehenden Autokultur".

Unter dem Beifall der Tagungsteilnehmer aus ganz Deutschland prognostizierte er, dass auch elektrische Autos das Platzproblem in den Städten nicht lösen werden, "stattdessen brauchen wir einen radikalen Umbau unseres Mobilitätsverhaltens. Und dabei werden zwangsläufig die Autos die Verlierer sein."

Massive Förderung durchs Ministerium

Das Themenspektrum der diesjährigen Fahrradkommunalkonferenz ist vielfältig. Die Einrichtung von Radschnellwegen will laut Staatssekretär Norbert Barthle das Bundesverkehrsministerium erstmals massiv fördern – die eigentlich in die Länderkompetenz fallende Aufgabe soll per Gesetz an den Bund delegiert werden.

Herrmann stellte in Aussicht, dass neben dem Großraum München auch der Großraum Nürnberg ein solches, vom Bund gefördertes Modell entwickeln wird, Fürths Landrat Matthias Dießl ist davon überzeugt, dass sein Landkreis sich als „Zubringer“ nach Nürnberg dafür besonders eignet.

Auf dem Tagung in der Heinrich-Lades-Halle ging es aber auch um planerische Neuerungen (darunter auch um die „Entflechtung“ von Radwegen und Autostraßen), um wirksame Kommunikationsmaßnahmen zur Steigerung des Radverkehrs, um bisher schlummernde Potenziale des Fahrrads im Wirtschaftsverkehr bis hin zu internationalen Erfahrungen.

 Das bundesweite Forum wird jährlich vom Bundesverkehrsministerium und dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden durchgeführt.

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