Fantasy und grammatische Feinheiten

8.10.2010, 23:00 Uhr
Fantasy und grammatische Feinheiten

© Bernd Böhner

Eine Dekade kreatives Schreiben: Eine Autorengruppe namens „Wortwerk“ gibt es im Raum Erlangen-Nürnberg eigentlich schon seit dem Jahr 2000. Nachdem der Gründer Christian Schloyer 2004 sein Studium in Erlangen beendet hatte, zog mit ihm allerdings auch die gesamte Textwerkstatt von Erlangen nach Nürnberg um und wurde kurzerhand in „Wortwerk Nürnberg“ umbenannt.

Dass die Stille, die seitdem in der Erlanger Literaturszene herrschte, 2008 ein jähes Ende fand, ist im Grunde einem Zufall zu verdanken. Während wir bei heißer Schokolade und leiser Jazzmusik im Café sitzen, erzählt Carolin Hensler lachend, wie sie Rebekka Knoll kennen lernte und in den Köpfen der Studentinnen die Idee einer neuen Textwerkstatt entstand: „Wir saßen zufällig beide vor dem falschen Seminarraum. Als wir ins Gespräch kamen, wurde sehr schnell klar, dass wir beide schreiben. Wir haben dann doch noch den richtigen Raum gefunden, aber das Seminar war so langweilig, dass wir die ganze Zeit über unsere Texte quatschten.“ Statt weiterhin den Kurs zu besuchen, gründeten Carolin und Rebekka also einfach eine neue Autorengruppe. Zufällig besuchten sie später ein Seminar beim Nürnberger Wortwerker Christian Schloyer, der auch ab und zu an der Uni doziert. Schloyer schlug ihnen vor, die neue Gruppe einfach „Wortwerk Erlangen“ zu nennen und sich mit der Nürnberger Gruppe zu vernetzen.

Im Schokoladengeschäft und Café „Chocolaterie“ in der Schuhstraße, wo sich das „Wortwerk Erlangen“ regelmäßig trifft, sitzt mittlerweile ein bunter Haufen zusammen. Neben den Studierenden sind auch zwei der berufstätigen Mitglieder von „Wortwerk“ gekommen. Wann sitzen schon mal ein Ex-Religionslehrer, eine kroatischstämmige Literaturdozentin und eine Hand voll Germanistikstudierende in einer so lockeren Atmosphäre zusammen im Café?

Man spricht über die neuesten Projekte, gibt sich gegenseitig Tipps, nippt an der heißen Schokolade, erzählt vom Wochenende. Die Dozentin Nataša Dragnic hat gerade einen Roman vollendet, der im Frühjahr bei der DVA erscheinen wird. Der Titel ist noch geheim. Carolin Hensler, die an ihrem vierten Fantasy-Jugendroman schreibt, hat soeben eine Zusage von einer Agentur bekommen, die die junge Autorin dann an Verlage weitervermitteln wird. „Geh da hin, schau, ob das was für dich ist. Die Chemie muss stimmen, du musst mit denen zusammenarbeiten“, rät ihr Nataša Dragnic, die mit ihrer eigenen Agentur sehr zufrieden ist.

Alphabet vor und zurück

Stefan Winter, der auch Germanistik studiert, sagt von sich selber, er wolle sich nicht festlegen, schreibe dies und das, Prosa und Theaterstücke. Manchmal unterwirft er nach dem Vorbild der französischen Autorengruppe Oulipo seine Geschichten abstrusen Regeln. Nataša lacht und meint: „Er will nicht, dass man es versteht“. Zum Beispiel gibt es da eine Geschichte, in der die Anfangsbuchstaben der Wörter des ersten Satzes einmal das Alphabet vor und zurück ergeben. Das sieht so aus: „Anfangs brachte Clara das ewig friedliche Getue...“ Ganz schön kompliziert. Aber Stefan mag solche Spielereien. Heraus kommt eine abstrakte Liebesgeschichte, vermischt mit einer absurden Traumwelt. Nicht in einer Traumwelt, sondern in Erlangen spielen die Kurzgeschichten von Thomas Werner, Theologe und Ex-Religionslehrer.

Rebekka Knoll und Hanna Rauh sind heute leider nicht da. Rebekka schreibt Theaterstücke und Prosa, Hanna Fantasyromane und Kurzgeschichten. Die beiden Studentinnen haben mit Stefan Winter und Carolin Hensler zusammen auf dem Poetenfest gelesen. „Obwohl es geregnet hat, war es toll, vor so einem großen Publikum zu lesen“, erinnert sich Carolin. Anja Zeltner, ebenfalls Studentin in Erlangen, die dieses Jahr den Literaturpreis der Nürnberger Literaturläden gewonnen hat und auch schon für weitere Literaturpreise nominiert war, ist leider zurzeit noch im Urlaub.

Die Wortwerkler, die hier sind, machen sich nun ans Eingemachte: die Textkritik. Nataša liest einen Ausschnitt aus dem Roman vor, mit dem sie gerade begonnen hat, Stefan liest eine noch unfertige Kurzgeschichte. Es wird gelobt und kritisiert, zusammen nach Lösungen gesucht und über grammatische Feinheiten gestritten. Alle zusammen arbeiten sie an der Sprache, werken mit Worten. Man kann ihnen zusehen, zuhören, beim Produzieren von brandneuer Literatur. Um Carolin, Nataša, Stefan und Co. wird es in nächster Zeit bestimmt nicht still.

Interessierte Schreiber sind willkommen. Die Treffen finden wöchentlich abwechselnd dienstags und donnerstags statt. Am Dienstag ab 14 Uhr in der Chocolaterie in der Schuhstraße, am Donnerstag ab 20 Uhr im E-Werk (weitere Infos unter wortwerknet.blogspot.com).