Flüchtlingskindern eine Stimme in Erlangen geben

14.12.2017, 12:00 Uhr
Flüchtlingskindern eine Stimme in Erlangen  geben

© Berny Meyer

Ein Buch, zwei Ausgaben – und das auch noch zum gleichen Zeitpunkt auf dem Markt? Bei jedem anderen gedruckten Werk würde das der Käufer wohl als übertrieben empfinden, nicht aber bei dem ungewöhnlichen Projekt "Krieg ist immer dumm" des Münchauracher Autors Oliver von Flotow. Eine Taschenbuch-Auflage ist in der Reihe "Erlanger Migrations- und Integrationsstudien" der University Press der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) erschienen, eine weitere bibliophil gestaltete Hardcover-Auflage (als ideales Weihnachtsgeschenk) im Selbstverlag, gesponsert von Lions und Zonta Club sowie dem Röttenbacher IT-Unternehmen Sepp.Med.

Egal, für welche Variante sich der Käufer entscheidet, dem Bändchen wünscht man möglichst viele Leser: zum einen, weil der Erlös aus der gebundenen Ausgabe zu 100 Prozent der Ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuung in Erlangen (Efie) zugutekommt, zum anderen, weil es Flüchtlingskinder selbst von ihrem Schicksal erzählen lässt. "Ich wollte ihnen eine Stimme geben", sagt dann auch Oliver von Flotow und fragt rhetorisch "Wer hört sie denn schon?"

Der frühere Siemens-Mitarbeiter, der bereits Glossen, Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlichte, hat die jungen Menschen gehört: In intensiven Interviews befragte er — natürlich mit Einwilligung der Eltern — an verschiedenen Mittelschulen in Erlangen und Spardorf Jungen und Mädchen, die ihre Heimat wegen Armut, Zerstörung und Krieg verlassen mussten.

Die Kontakte zu den Schülern stellten Lehrer und Rektoren her, auch die Stadt Erlangen und Efie waren von Flotow bei der Umsetzung der Idee behilflich. "Dolmetscher", sagt er, "brauchte ich nicht, die Kinder sprachen so gut Deutsch, dass wir uns unterhalten konnten."

Mit Heranwachsenden umgehen kann von Flotow: Schließlich beteiligt er sich an verschiedenen Projekten der Bürgerstiftung für Heranwachsende, etwa beim Sommercamp für Kinder aus sozial schwachen Familien. Als ehrenamtlicher Pate weckt der Mathematiker im Rahmen der "Zauberhaften Physik" in Grundschulen zudem das Verständnis und Interesse bei den Pennälern für die Naturwissenschaften. Das Vertrauen, sagt der Münchauracher, sei zwischen den Kindern und ihm sofort da gewesen.

Entstanden sind somit 30 Texte, die mitsamt ihren, ebenfalls vom Autor, stammenden Fotos unter die Haut gehen. Die Sieben- bis 18-Jährigen aus Syrien, Irak, Tschetschenien oder auch Somalia berichten von ihrer Heimat, aber auch von den Hoffnungen auf ein besseres Leben in Deutschland.

"Ich habe mit ihnen über alles geredet, ihnen keine Vorgaben gemacht", erzählt der 67-Jährige. Am meisten haben ihn die immer wieder kehrenden Schilderungen von der Flucht auf dem Wasser bewegt. "Das kann man sich ja gar nicht richtig vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat".

Aber auch über ihre Schwierigkeiten bei der Integration haben die Kinder und Heranwachsenden berichtet. Im Großen und Ganzen aber erinnert sich von Flotow vor allem an die "scheinbare Leichtigkeit", mit der die Kinder ihre zum Teil schrecklichen Erlebnisse verkraftet haben.

Mit dem Buchprojekt, dem im Frühjahr eine Ausstellung in der Stadtbibliothek folgen soll, wollen von Flotow und Efie den Alltag von Flüchtlingen wieder mehr in die Öffentlichkeit bringen. Zurzeit stünden "Obergrenzen" im Zentrum der Debatten und der Berichterstattung, und nicht etwa das Leben der Menschen, kritisiert der Autor. "Wir hoffen, dass das Buch daran vielleicht wieder ein bisschen etwas ändern kann."

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