Frühschoppen mit Operette auf der Bergkirchweih Erlangen

3.6.2020, 14:13 Uhr
Frühschoppen mit Operette auf der Bergkirchweih Erlangen

© Harald Sippel

"Sie ahnen ja gar nicht, wie’s in mir drin ausschaut", sagt Heinz Müller. Maßlos traurig sei er, weil die Bergkirchweih dieses Jahr ausfällt. Dabei hat sie ihn ein Leben lang begleitet. Oder er sie. Als "Bratwurst-Müller" ist er eine Institution auf dem Berg. 80 Jahre alt ist er im letzten Oktober geworden, und ausgerechnet in seinem Jubiläumsjahr wird er nicht zwölf Tage lang an seinem Stand sein. "Da heißt’s, die Zähne zusammenbeißen", meint er. Und sich mit Erinnerungen trösten.

Hier gibt es alles rund um die Bergkirchweih

Seine erste eigene Erinnerung an den Berg datiert zurück auf das Jahr 1948. Das Jahr der Währungsreform. Die erste Kerwa, bei der man keine Lebensmittelmarken mehr brauchte. Neun Jahre alt war er damals, seit drei Jahren war der Vater aus der russischen Gefangenschaft zurück, "ich habe ihn kennengelernt, da war ich schon in der Schule". Bei der Kirchweih habe er damals mitgeholfen. Alles sei "furchtbar einfach" gewesen in jener Zeit, zum Beispiel habe es noch kein elektrisches Licht auf dem Berg gegeben. "Ein Fest im Grünen ohne Licht", im Rückblick sei das romantisch, sagt Heinz Müller – ach was, nicht nur im Rückblick, "das war auch so". Auf den Vorbauten links und rechts vom Kellerhäuschen des Erich-Kellers sei jeden Abend ein bengalisches Feuer angezündet worden, zur Freude aller, die Leute seien richtiggehend ergriffen gewesen.

Schon seine Urgroßmutter hat auf dem Erich-Keller Bratwürste gebraten, oberhalb des Kellerhäuschens, in einer Pfanne über einem Feuer auf dem Boden. Seine Großmutter hatte dann ab 1907 einen richtigen Bratwurststand neben dem Türmchen des Erich-Kellers. Dieser Keller sei das Zentrum der Bergkirchweih gewesen, erzählt Müller, "da hat man sich getroffen".

1949 sorgte sein Vater mit dem ersten Käse-Verkauf für eine kleine Sensation. "Wie der Vater es geschafft hat, den Käse zu ergattern, weiß ich nicht." Das Rad Käse lag im Schlafzimmer der Eltern auf einer Kommode, der Vater schnitt Stücke ab, die dann hinauf auf den Berg gebracht wurden, "auf der Kommode hat man hinterher die Einschnitte gesehen".

Statt in Kühlschränken wurden die Bratwürste in den Kellern gelagert und bei Bedarf herausgeholt, so die Erinnerung von Heinz Müller. Geschürt wurde mit Holz, erst Mitte der 50er Jahre brutzelten die Bratwürste in einer Pfanne, die mittels Propangas erhitzt wurde.

Zum Frühschoppen wurden Operettenmelodien gespielt, danach Militärmärsche und abends Schunkellieder. Die Bergkirchweih war auch damals schon "das" Ereignis in Erlangen, insbesondere der Frühschoppen war eine festliche Angelegenheit, man sei im Sonntagsanzug auf den Berg gegangen, so Müller. Und "die Leute haben das ganze Jahr über gespart, damit sie auf die Bergkirchweih konnten", eine Maß Bier habe Anfang der 50er Jahre zwei Mark gekostet, viele hatten einen Stundenlohn von unter einer Mark. Da habe es dann Leute gegeben, die sich vom "Nachele" aus ein paar Krügen – also dem Rest, den andere stehen ließen – "einen Schoppen zusammengeschüttet haben". Die Leute brachten auch "ihre Töpfla" zur Bratwurstbude, der Vater habe ihnen das Fett, das sich in der Pfanne sammelte, abgefüllt. Eine bescheidenere Zeit, aber "unvergessliche, schöne Bergkirchweihen".

Faust im Kasperltheater

Heinz Müllers schönste Erinnerung aber ist das Kasperltheater. Nach langem Betteln erlaubten ihm seine Eltern, als Statist mitzumachen, bei der Abendvorstellung für Erwachsene: "Doktor Faust – Höllenfahrt mit großem Feuerwerk". Toll daran war nicht nur, dass er nicht wie sonst um acht Uhr ins Bett musste, sondern vor allem der "Feuerball", der entstand, wenn der Theatermann in eine Petroleumlampe blies. Dass dieser "uns mit den Schuhen auf die Beine gehauen hat, wenn wir nicht gespurt haben", erscheint im Rückblick nicht mehr schlimm.

Dann ist da noch die Sache mit dem Riesenrad, "das war Anfang der 50er Jahre lange nicht so groß wie die heutigen": Es stand auf einmal schräg, bei vollem Betrieb war die Achse gebrochen. Ein Moment der atemlosen Stille. Das Ganze ging gut aus, die Feuerwehr evakuierte es.

Und was war für ihn das größte Ereignis in neuerer Zeit? Im Jahr 2007, genau 100 Jahre, nachdem die Urgroßmutter erstmals mit ihrer Bratwurstbude auf dem Berg stand, konnte die Familie Müller den Weller-Keller kaufen. "Nach 40 Jahren Ehe hat mich dann meine Frau verlassen", sagt Heinz Müller gern. Soll heißen: Er steht am Bratwurststand am Erich-Keller, seine Frau in "Müller’s Bergstation" gegenüber vom Riesenrad. Dieses Jahr allerdings verbringen sie die "Berg-Tage" in trauter Eintracht zuhause. "Tja, Bergkirchweih, du schöne", sagt Heinz Müller. Dann kommt das Essen auf den Tisch. Es gibt Bratwürste. Sauere diesmal.

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