Geballte Berufsinformation im 20-Minuten-Takt

24.3.2015, 19:23 Uhr
Geballte Berufsinformation im 20-Minuten-Takt

© Foto: Ilona Hörath

Wenn Mike Thiede von seinem Unternehmen, der Erlanger Mauss Bau, erzählt, dann erntet er nicht selten ungläubige Blicke. Von wegen, das Baugewerbe ist nicht spannend. Thiede berichtet stolz über die unterschiedlichsten Bauberufe, Ausbildungsmöglichkeiten und begeistert sich über die Branche im Allgemeinen („Es wird nicht mehr getrunken“).

Einer seiner Gesprächspartner am Messe-Stehtisch in der Heinrich-Lades-Halle ist Niklas, Schüler am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Der 17-Jährige, der Ingenieur werden will, hat sich gut vorbereitet und ein dickes Bündel an Fragen mitgebracht: Ob es zum Beispiel möglich sei, bei dem Bauunternehmen ein Duales Studium zu absolvieren. Wie viele Bauingenieure bei Mauss beschäftigt sind und ob es überhaupt einen Bedarf für Bauingenieure gibt.

Nach rund 20 Minuten im „Einzelgespräch“, in denen Niklas den Blick fest auf den Mauss-Personaler geheftet hat und sich auch von Give-aways wie Zollstock, Kartenspiel und Kugelschreiber nicht ablenken lässt, scheint der Schüler zufrieden: „Die Zukunft der Firma und meine eigene Zukunft ist gesichert, das war mir wichtig.“ Seine nächste Station ist Schaeffler, wo er sich über den Beruf des Maschinenbauingenieurs informieren möchte.

Anders die 15-jährige Lena aus der Staatlichen Realschule Herzogenaurach. Am Stand der Stadt Erlangen will sie mehr über die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten erfahren. Wie viele Azubis dort eingestellt werden, ob man übernommen wird und ob man sich weiterbilden kann. Und der 13-jährige Elias, ebenfalls aus Herzogenaurach, meint: „Man sollte sich sehr früh über den Beruf informieren.“ Möglichst viele Berufe wolle er sich „ansehen“, zum Beispiel die Ausbildung zum Chemielaboranten bei der Bundeswehr.

In Erlangen findet die Messe Vocatium, eine Fachmesse für Ausbildung und Studium, zum ersten Mal statt. Schon seit rund 15 Jahren führt der Veranstalter, das IfT Institut für Talententwicklung Süd GmbH, derartige Messen bundesweit durch — seit 2009 auch in Mittelfranken. Mit dem Sprung von Nürnberg nach Erlangen verkürzen sich nun die Wege für zahlreiche Schülerinnen und Schüler von 18 Schulen aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt, aus Erlangen, Bamberg oder aus Stadt und Landkreis Forchheim.

Vocatium verfolgt dabei ein spezielle Konzept: Bereits im Vorfeld wurden mit rund 700 Schülern Einzelgesprächstermine mit insgesamt 33 Unternehmen, Hochschulen, Fachschulen, Akademien und Beratungsinstitutionen fest vereinbart.

„Die Hürde, jemanden anzusprechen, ist durch die Terminvereinbarung relativ niedrig“, sagt Jürgen Hollatz, Ausbildungsleiter Nordbayern bei der Siemens AG. Allein in Erlangen beschäftigt der Konzern 1350 Azubis. „Achtzig Prozent der jugendlichen Besucher kommen dabei mit bis zu vier Terminen ihrer Wahl“, heißt es beim Veranstalter IfT.

Knapp 1200 „vermittelte Termine“ sind insgesamt an diesem Tag zu absolvieren. Besonders gefragt seien dabei Informationen zu Medienberufen sowie kaufmännischen und technischen Berufen.

„Die Gespräche sind das A und O“, weiß auch Yvonne Weigel, Beratungslehrerin an der Staatlichen Realschule Herzogenaurach. Sie spricht für ihre Schüler: „Uns gefallen die regionalen Angebote sehr gut.“

Auch Jürgen Hollatz lobt das Vocatium-Konzept: „Die Jugendlichen haben die Chance, bei diversen Firmen in unterschiedliche Berufe hineinzuschnuppern.“ „Wir rekrutieren hier auf der Messe speziell für Erlangen“, berichtet er. „Viele möchten die Ausbildung vor Ort machen.“ Hollatz empfinde es als „Mehrwert, eine solche Messe nun auch in Erlangen zu haben“.

Auch Patrick Siegler, Chef des IHK-Gremiums Erlangen, ist von der Fachmesse überzeugt und bescheinigt ihr eine „hohe Innovationskraft“, da sie Jugendliche sensibilisiere. Und vielleicht auch dazu beiträgt, „viele noch vorhandene Defizite“ auszugleichen. „Umgangsformen, Kleidung und Auftreten sind ganz wichtige Punkte. Wir als Unternehmen wollen den Nachwuchs ja auch auf unsere Kunden loslassen“, erklärt Siegler.

So sind denn auch Workshops gut besucht, bei denen ein „kleiner Kleider-Knigge“ fürs Vorstellungsgespräch vorgestellt wird: Jungs wie Mädchen sollten die Haare frisch waschen und nicht ölig erscheinen lassen, Mädchen sich nur dezent schminken und selbst bei 35 Grad im Schatten sei eine Strumpfhose Pflicht. Anderswo quittieren die Jugendlichen den Ratschlag einer Referentin, stets hinter dem Chef eine Treppe hochzulaufen, damit dieser beim angenommenen Sturz „weich falle“, mit einigen Ahs und Ohs.

Die nächste Vocatium-Messe ist für April 2016 geplant.

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