Geige aus Brettern

27.1.2007, 00:00 Uhr
Geige aus Brettern

© Harald Hofmann

1946 musste der Streichinstrumentenbauer Andreas Hoyer im Kriegsgefangenenlager Glasenbach bei Salzburg eine Militärbaracke abreißen und stellte dabei fest, dass ein paar gut ausgetrocknete Bretter dabei waren, die er für eine Geigendecke und -boden verwenden könnte. Aus dem zur Verfügung stehenden Brennholz für den Kanonenofen suchte er sich das Material für die restlichen Teile, vom Steg bis zu den Wirbeln, zusammen.

Mit viel Geduld, Ausdauer und primitivstem Werkzeug arbeitete er in den Freistunden über ein Jahr, bis die Geige 1947 im Rohzustand fertig war. 1948 kam Hoyer in eine Flüchtlingsbaracke nach Garmisch-Partenkirchen, wo ihm ein Landsmann Farbe und Lack besorgte und er seine «Kriegsgeige» spielfertig vollendete.

In diesen Tagen erhielt der «Vater und Gründer» des Bubenreuther Geigenbaumuseums Gerold Karl Hannabach einen Hinweis auf ein weiteres so genanntes «Kriegsinstrument». Wenn Hannabach für sein Museum eine Fährte aufnimmt, so lässt er so schnell nicht locker, auch wenn die Erfolgsaussichten noch so gering erscheinen.

Diesmal sucht er ein Cello, welches 1943 in der ägyptischen Wüste bei El Taba gebaut wurde. Ein Landsmann aus seiner Heimatstadt, der 1909 in Schönbach geborene und 1980 in Bubenreuth verstorbene Geigenbauer Karl Schäfer, so erfuhr es Hannabach, erhielt in englischer Gefangenschaft von einem Major den Auftrag zum Bau eines Cellos.

In den ägyptischen Lagern waren zu dieser Zeit rund 45 000 deutsche Kriegsgefangene und der im Zivilberuf als Dirigent und Orchesterleiter tätige englische Major stellte ein symphonisches Streichorchester zusammen. Von der Trompete über das Waldhorn bis hin zur Geige waren die einzelnen Instrumente vorhanden. Was dem Major für seine weihnachtlichen Melodien fehlte, war ein Cello.

Attraktion in der Wüste

Als dieser den Satz hörte «Karl, du bist doch Geigenbauer, was braucht man denn zu solch einem Instrument?» erhielt der Kriegsgefangene Karl Schäfer vom Lager Nr. 380 mit der Kriegsgefangenennummer ME 239469 den dienstlichen Befehl, solch ein Instrument zu bauen. Tagelang suchte Schäfer aus einem Holzstoß abgetakelter Schiffe, bis er verwertbare Hölzer fand.

Den Steg und die Saiten ließ der Major aus London einfliegen. In mühseliger Arbeit und mit primitiven Werkzeugen fertigte Schäfer das Cello - und es war beim Konzert 1943 inmitten der Wüste Ägyptens die Attraktion.

In den Nachkriegsjahren interessierte sich aber kaum jemand mehr um das «Kriegsinstrument» und es geriet in Vergessenheit. Vor einiger Zeit erfuhr Hannabach, dass dieses Instrument zuletzt ein Landsmann aus dem «böhmischen Musikwinkel», also die Gegend um Schönbach, Eger, Graslitz, Markneukirchen, gespielt haben soll.

Seitdem geht Hannabach jedem Hinweis nach, welcher ihn helfen kann, zu seiner «Kriegsgeige» auch noch ein «Kriegscello» zu erhalten. Nachdem sich hier im fränkischen Raum viele Heimatvertriebene niedergelassen haben, hofft er unter der Rufnummer 0 91 31/2 13 82 weitere Hinweise zu bekommen. HEINZ REISS

Die «Kriegsgeige» kann jeden Sonntag in der Zeit von 14 bis 16 Uhr im Geigenbaumuseum im Kellergeschoss des Bubenreuther Rathauses an der Birkenallee besichtigt werden. Gruppen und Schulen können die Ausstellung auch außerhalb dieser Zeit gegen Voranmeldung bei Gerold Karl Hannabach, 91088 Bubenreuth, Rosenhügel 10 a, Telefon 0 91 31/2 13 82, besichtigen.