«Ich beobachte gerne Menschen und Situationen»

26.6.2009, 00:00 Uhr
«Ich beobachte gerne Menschen und Situationen»

© Horst Linke

Nur mit Badeschlappen bekleidet und in rote Handtücher gehüllt sitzen fünf ältere Damen auf einer Bank und blicken dem Betrachter gut gelaunt entgegen. «Das Motiv spricht die Leute immer wieder stark an», berichtet Flügel über das 2,20 mal 1,20 große Werk «Älter werden wir später», das unter anderem schon in einem Erlanger Modegeschäft zu sehen war und bald eine Ausstellung in den Erlanger Stadtwerken bereichern wird. «In unserer Gesellschaft darf man eigentlich nicht altern», bedauert die 43-Jährige, die sich seit Ende 2007 mit dem Thema in Bildern auseinandersetzt.

Das Pendant zu den scheinbar unbeschwerten Senioren bildet das Porträt einer italienischen Familie, die einen verstorbenen Mafia-Boss betrauert. «Ich beobachte gerne Menschen und Situationen», erklärt Flügel. Dabei inspirieren die gelernte Reisekauffrau vor allem Gesichtsausdrücke und die Geschichten, die sie hinter den Szenen vermutet. Oft dienen hierfür Zeitungsauschnitte als Vorlage; den Bildhintergrund variiert die in Herzogenaurach geborene Künstlerin meist mehrfach, wie überhaupt viele ihrer Arbeiten in Acryl- oder Mischtechnik aus drei bis vier Farbschichten bestehen.

Wichtig ist der Monet- und Rilke-Liebhaberin, dass «Bilder leben» und zum Beispiel die Pinselführung deutlich sichtbar ist. Neben stattlichen Porträts und kleineren Tiermotiven finden sich derzeit hauptsächlich Still-Leben und Naturimpressionen, etwa aus der nahen Fränkischen Schweiz oder der Provence, in der «Malwerkstatt». Diesen Titel hat Heike Flügel ihrem geräumigen Atelier gegeben, weil «ich dort alles mache.» So gehören beispielsweise auch bemalte Möbel und Wände zum Repertoire der lebensfrohen Künstlerin.

In Fluren, Schlaf- oder Wohnzimmern lässt Flügel je nach Wunsch des Kunden täuschend echte Treppengeländer, antike Statuen oder ganze Landschaften entstehen. Die Technik der Illusionsmalerei hat die 43-Jährige in Italien erlernt. Größere Wandgemälde fertigt Flügel aufgrund des enormen Zeitaufwands stets im Atelier, vor Ort wird das Werk dann auftapeziert. Obwohl derartige Privataufträge seit Jahren Geld einbringen, hat die Malerin ihren Teilzeitjob in einem Fürther Reisebüro nicht aufgegeben.

An den beiden Berufen reize sie die Gegensätzlichkeit, sagt Flügel: Der ständige Kundenkontakt einerseits, die Abgeschiedenheit und Ruhe im Atelier andererseits. Und schließlich bestehe die Kunst ja auch darin, von der Kunst zu leben, lächelt die Blondine. Als sie vor zirka zwölf Jahren anfing, intensiv zu malen, begann Flügel mit einem Aquarellkurs. «Aber irgendwie war mir das zu luftig, die Farben nicht satt genug», erinnert sie sich heute. Es folgten unter anderem Experimente mit Tusche, Ausflüge ins Abstrakte und ein Bildhauerkurs, doch letztendlich kehrte Flügel immer wieder zum Gegenständlichen zurück. Besonders in großformatigen Personenstudien hat die Fränkin nun ihr Metier gefunden. ASTRID MENHARDT

Wer die «Malwerkstatt» (Hauptstraße 51) besuchen möchte, hat dazu am Sonntag, 28. Juni, von 11 bis 17 Uhr Gelegenheit. Ab 2. Juli sind die Arbeiten Flügels dann in den Erlanger Stadtwerken zu sehen (bis Ende August).