Impressionen vom 16. Comic-Salon Erlangen

23.6.2014, 08:53 Uhr
Impressionen vom 16. Comic-Salon Erlangen

© Comic-Salon/Malter

Während auf dem Erlanger Schlossplatz die Schlacht an der Somme geschlagen wird, geht es vor dem Rathaus und der Heinrich-Lades-Halle durchwegs friedlich zu. Drinnen wie draußen locken Wühltische, an denen sich die Besucher durch Ramsch wie Kostbarkeiten graben, immer auf der Suche nach dem einen Comic, den es braucht um diese oder jene Sammlung zu vervollständigen. Manch Händler bietet seine Ware schon nach Gewicht an, das Kilo für 15 Euro.

Natürlich bessern arme Studenten wieder ihre Haushaltskasse auf, indem sie sich in tapsige Kostüme zwängen und mit Besuchern posieren. Heuer sind die Mumins angesagt, eine Kreuzung aus Albino-Nilpferd und Meerschweinchen, erdacht von der Finnin Tove Jansson, die in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden wäre.

Innen wühlen wir uns durch die Flut von Comics, Postern und Merchandise-Artikeln, bewundern Damen in schwarzem VampirellaKostüm, Mädels mit Haaren in dezentem Himbeersirup, mit Spock-Ohren oder Klingonen-Stirn, und halten erschöpft an einem Lesewinkel inne, wo Groß und Klein auf Sitzkissen in dickbändigen Werken schmökern, meist Gesamtausgaben.

„Der rote Korsar" von Charlier ist dabei, aber auch Ralf Königs gesammelte Unzüchtigkeiten oder Enki Bilals freudloser Eiszeit-Kosmos. Das Vertrauen der Aussteller in ihre Leser ist groß. Wo andere Bücher an Bändern hängen, prangen auf diesen Exemplaren gelbe Aufkleber: „Unverkäufliches Muster. Ich will hier bleiben!“

Eine großgewachsene Blondine wartet an einem Stand mit Manga-Comics. Was finden Frauen bloß an diesen zierlichen Mädelfiguren mit übergroßen Augen? Das kann uns Monika Schiefereder auch nicht ganz schlüssig erklären, doch entpuppt sich die Studentin der Sino- und Japanologie als versierte Comic-Kennerin und Zeichnerin. „Ich assistiere den Künstlern, indem ich Hintergründe entwerfe und die Zeichnungen tusche.“

Sehr vertraut ist die Studentin aus Niederbayern mit dem klassischen japanischen Horrorkino. So schwärmt sie für den visuell opulenten „Kaidan“ (1964), und vor allem für „Jigoku – Die Hölle“ (1960), in dem der unglückliche Held sämtliche Kreise des buddhistischen Infernos durchschreitet.

Kann ein westlicher Betrachter diesen Filmen und Comics überhaupt noch folgen? „Die aktuellen Mangas zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich speziell mit japanischer Religion und Mythologie beschäftigen“, beobachtet Monika Schiefereder. „Da blickt ein Europäer nicht so schnell durch. Andererseits gleichen sich Ost und West kulturell einander an, viele Japaner sind mit christlicher Symbolik sehr gut vertraut, warum sollte das bei uns bald nicht anders sein?“

Raus aus dem Getümmel. Im Untergeschoss des Siemens-Hauptverwaltungsgebäudes herrscht wohltuende Ruhe. Hier liegen die Bilderbücher von Emile Bravo aus. Und hier taucht der Besucher in das Glück der Kindheit ein, freilich ordentlich aufgemischt mit bodenlosen Frechheiten.

Impressionen vom 16. Comic-Salon Erlangen

© Comic-Salon/Malter

In seinen Comics um die sieben Zwergbären lässt der Franzose Bravo Elemente und Figuren aus mehreren Märchen miteinander kollidieren. Da wetteifern gleich drei Prinzen um Schneewittchens Gunst, erweisen sich Hänsel und Gretel als menschenfressende Naziklischees und droht höchste Gefahr nicht von der Hexe, sondern von dem komischen Kasten mit dem hypnotisierenden Zauberfenster samt Antenne.

Bravo zeichnet nicht nur Kinderbücher, an denen auch Erwachsene ihren Spaß haben. Genauso aktualisiert er Heinrich Böll, indem Kapitän Haddock aus „Tim und Struppi" die „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ nacherlebt, oder frönt er ungeniert der Nostalgie, wenn er auf Hergés und Jijés Spuren seine Helden im Kosmos der Zwanziger Jahre auf Abenteuer schickt. Wirklich böse zeigt sich Bravo nur in einem Comic zum Israel-Palästina-Konflikt, in dem Kinder als lebende Bomben verheizt werden.

Das besondere an diesem und anderen Comics: Bravo ersetzt sämtliche Texte in den Sprechblasen durch Icons und Piktogramme (man kennt das aus älteren Comics, wo Flüche durch Schweinsköpfe, Hämmer und Gewitterblitze symbolisiert werden). Nur, dass bei Bravo das Lachen bald im Halse stecken bleibt.

Kennt Bravo denn kein Happy End? Doch, in einer Geschichte präsentiert er Gaston. Der schusselige Bürobote und geniale Tüftler hat die Erfindung seines Lebens gemacht. Nun ist er Millionär und lässt seine ehemaligen Kollegen Demel und Fantasio abblitzen. „Sorry, aber Redakteure haben keine Zukunft mehr. Ich habe übrigens nie verstanden, was ihr in eurem Laden eigentlich gemacht habt.“

 

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