Inklusion wird bei Erlanger Theaterwerkstatt groß geschrieben

22.6.2019, 11:00 Uhr
Inklusion wird bei Erlanger Theaterwerkstatt groß geschrieben

© Theaterwerkstatt

Die acht Akteure setzen sich zusammen aus Laienschauspielern der Volkshochschule (VHS) und der "Wabe", dem "Verein zur Wiedereingliederung psychisch kranker Menschen". Wer kommt von der VHS, wer von der Wabe? Das weiß niemand zu sagen, und es ist auch vollkommen egal. Denn hier handelt es sich um inklusives Theater.

Pädagogik und Psychologie

Die Frau hinter der Bühne ist Stefanie Anna Miller. Aus dem Rieskrater stammend, studierte sie ab 2003 in Erlangen Theater- und Medienwissenschaft, dazu Pädagogik und Psychologie. Seit 2009 arbeitet Stefanie Miller als freischaffende Theatermacherin. "Das heißt, ich schreibe und inszeniere die Stücke, kümmere mich um die Kulissen und Kostüme und stehe gelegentlich selber mit auf der Bühne."

2011 trat die VHS zusammen mit der Wabe und dem ZSL (Zentrum für selbstbestimmtes Leben) an die Theatermacherin heran, um ein inklusives Theater für spielbegeisterte Laien zu etablieren. Die Zahl der Mitwirkenden schwankt: "Inzwischen hat sich ein Kern von sieben oder acht festen Mitspielern etabliert", erzählt Stefanie Miller, "manchmal stehen bis zu zwölf Leute auf der Bühne." Das Theater reizt vor allem die Frauen, die Herren der Schöpfung scheuen da eher zurück. "Es gibt Rampensäue", beobachtet die Spielleiterin, "und es gibt eher zurückhaltende Akteure, aber jeder trägt seinen Teil bei." Auch das Alter variiert: "Meine jüngste Schauspielerin ist um die dreißig Jahre alt, die Älteste über achtzig!"

Die Stücke – fast immer sind es Komödien – erarbeitet das Ensemble auf der Basis der Improvisation. Stefanie Miller gibt ein Leitthema vor, die Mitspieler machen sich ihre Gedanken dazu und erarbeiten sich nach und nach die Handlung. "Die Schauspieler improvisieren, ich kümmere mich um den dramaturgischen roten Faden und um die Form." Ein Semester bzw. 15 Proben stehen zur Erarbeitung zur Verfügung, am Ende gibt es eine einmalige Vorstellung von 60 bis 70 Minuten Dauer.

Wer "gesund" ist und wer nicht, und wer woran leidet, weiß die Regisseurin nicht und will es auch gar nicht so genau wissen: "Letztlich stellt sich das erst im Lauf der Zeit heraus."

Bereitet das Zusammenspiel Probleme? "Manche Akteure haben Bedenken, dass ihr Handicap auf offener Bühne durchscheint", gibt die Regisseurin zu, "doch solche Bedenken fangen die Mitspieler gemeinsam auf. Etwas Anderes wäre es, wenn ich Menschen mit schwerer geistiger Behinderung auf die Bühne stellte. Da hätte ich das Gefühl, die Menschen auszustellen. Und das will ich nicht. Ich bin Theatermacherin, keine Theatertherapeutin."

Echtes Schwergewicht

Die Idee fürs nächste Stück steht schon fest: Theatersport. Hierzu rufen Zuschauer einige Stichwörter, und die Akteure improvisieren frei dazu los. Und noch ein weiteres echtes Schwergewicht ist in Arbeit: "Medea" von Euripides, diesmal mit hörenden und gehörlosen Schauspielern.

Keine Kleinigkeit, den anspruchsvollen Text um die Hohepriesterin, die um eines Mannes Willen alles aufgibt, um am Ende betrogen zu werden und sich furchtbar rächt, in ein normales Deutsch und vor allem in die deutsche Gebärdensprache zu übertragen. Und zwar so, dass sowohl die Hörenden wie die Gehörlosen im Publikum alles verstehen.

Aber bis zur Premiere der "Medea" ist noch Zeit – bis zum Februar 2020 in der Tafelhalle in Nürnberg.

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