Stadtrat Baiersdorf

Keine Mehrheit für Livestream

5.7.2021, 09:08 Uhr
Von überall aus einer Gemeinde- oder Stadtratssitzung zugeschaltet zu sein, ist inzwischen technisch meist problemlos umsetzbar. Ob es gewünscht ist, ist dagegen eine ganz andere Frage.

© Fabian Strauch, dpa Von überall aus einer Gemeinde- oder Stadtratssitzung zugeschaltet zu sein, ist inzwischen technisch meist problemlos umsetzbar. Ob es gewünscht ist, ist dagegen eine ganz andere Frage.

Thomas Voit (SPD) begründete für seine Mitstreiter den Antrag. Laut Gemeindeordnung müsse ein Gemeinderat öffentlich tagen, es sei denn, das Gemeinwohl oder berechtigte Interessen Einzelner stünden dagegen. Zwar könnten Bürger die Sitzungen besuchen, doch Menschen mit Behinderung, Alleinerziehende oder Schichtarbeiter hätten, wenn überhaupt, nur unter erschwerten Bedingungen Zugang zu den Sitzungen. Noch komplizierter sei eine Teilnahme der Öffentlichkeit an Sitzungen während der Corona-Pandemie geworden. Der Livestream der Sitzungen könnte eine gute Lösung sein, die genannten Probleme zu lösen, erklärte Voit.

Technisch machbar

Dass dabei nur die Personen in Wort und Bild aufgenommen werden dürfen, die dem ausdrücklich zustimmen, sei klar, so Voit – und technisch machbar. Die Kosten von zirka 1500 Euro, die etwa in Pfaffenhofen, Neuburg an der Donau und Fürstenfeldbruck pro Sitzung anfallen, seien gerechtfertigt. In Pfaffenhofen werde die Übertragung laut dem Bürgermeister der oberbayerischen Stadt durchschnittlich 800 Mal aufgerufen. Fälle von Missbrauch des Streamings seien bislang nicht bekannt geworden.

Polemische Schärfe

Helmut Nießer (CSU) brachte sogleich polemische Schärfe in die Debatte, an der sich nahezu der gesamte Stadtrat beteiligte. Die von Voit genannten Zahlen in den Kommunen seien „geschönt“. In Fürstenfeldbruck habe der Livestream noch gar nicht begonnen, in Neuburg habe man lediglich einen Durchschnitt von 62 Zuschauern. Lediglich die 800 für Pfaffenhofen sein korrekt, aber auch nicht mit Baiersdorf vergleichbar, denn alle genannten Städte hätten Einwohnerzahlen von deutlich über 20.000, während Baiersdorf gerade mal 8000 Einwohner zähle. Überdies sei ihm das zu teuer, angesichts der Notwendigkeit der Stadt, sparsam zu wirtschaften. Nießers Ausführungen seien „polemisch“ befand Philipp Glaser (Junge Liste), Alexander Rolle (Die Grünen) hielt sie gar für „unverschämt“. Sophie Ries (SPD) führte ins Feld, dass der Livestream auch eine Chance sei, jungen Leuten Kommunalpolitik näher zu bringen, die sich eben nicht den ganzen Abend in eine Sitzung begeben wollen. Und Sarah Grasser (Die Grünen) warb dafür, für mehr Transparenz der Kommunalpolitik zu sorgen.

Kommunizieren statt beobachtet werden

Jürgen Maiß (FWG) sah dagegen die Live-Übertragung der Sitzungen kritisch. In Baiersdorf sei es möglich, relativ schnell zu den Sitzungen zu kommen. Er würde außerdem lieber mit Bürgern reden, als nur von ihnen beobachtet zu werden. Die sozialen Medien hätten eher zur Vereinzelung geführt. Schließlich wolle er auch die Entscheidungshoheit behalten, was von seiner Person öffentlich werde. Matthias Götz (SPD) gab sich überzeugt: „Die Live-Übertragung von Stadtratssitzungen wird kommen, offen ist nur wann.“ Vielen Bürgern seien demokratische Prozesse und die demokratische Streitkultur fremd. Hier könnte ein Livestream aufklärend wirken, sagte er. Seiner Meinung nach „wäre es einen Versuch wert“.

Neue Qualität der Öffentlichkeit

Jan Voit (FWG) warf ein, dass ein Livestream eine neue Qualität der Öffentlichkeit der Stadtratsentscheidungen mit sich brächte. Bisher veröffentlicht die Stadt im Netz nur Ergebnisprotokolle der Sitzungen, keine Wortbeiträge der Ratsmitglieder. Thomas Voit warb dafür, den Versuch zu wagen. Dreimal Livestream würde in Baiersdorf für je 900 Euro zu haben sein. Wenn das nicht ankomme, könne man danach das Projekt ja beerdigen. Die Mehrheit mochte diesem Wunsch nicht folgen. Der Antrag wurde mit einem Stimmenpatt von zehn zu zehn abgelehnt.

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