Kneipenchor-Festival im E-Werk war ein voller Erfolg

17.9.2019, 18:00 Uhr
Kneipenchor-Festival im E-Werk war ein voller Erfolg

© Roland G. Huber

Ja, welche ist denn nun die "lauteste Kneipe"? Ist Lautstärke das ausschlaggebende Kriterium? Nicht etwa die harmonischste Sangeskunst, das breitestgefächerte Repertoire, die originellste Kostümierung oder der spritzigste Vortrag? Darüber könnte eine Jury von Fachleuten befinden, aber die gab es bei diesem Festival nicht. Hier galt es nicht, einen Blumentopf zu gewinnen, wohl aber Herz und Leber des Publikums zu erobern.

Zuallervörderst aber stellte Erlangens Kneipenchorleiterin Sandra Schwarz klar, dass die Sänger hier nicht allein dem Trinkgenuss huldigen, sondern geschlossen für die Demokratie eintreten. (Was nicht ohne eine gewisse Ironie ist: Vor 50 Jahren galt den Musikrevoluzzern das Modell "Dirigent führt, Orchester folgt" als typisch faschistische Erscheinungsform.)

Weshalb die Choristen und Zuschauer, aufgeteilt in Sopran und Alt, Tenor und Bass beziehungsweise Bariton, Ludwig van Beethovens "Ode an die Freude" anstimmten, zumindest deren erste Verse des unsterblichen Schiller.

Mit durchschlagendem Erfolg: "Geiler Scheiß" urteilt Sandra Schwarz, soll heißen: höchstes Lob. In der Ode heißt es übrigens auch: "Brüder, fliegt von euren Sitzen, wenn der volle Römer kreist." Diese Zeile hätten sie doch noch wirklich mitsingen können!

Auftakt machte der Mädelsabend in Bamberg

Den Auftakt machten "Mädelsabend Bamberg". Die reine Frauentruppe trauerte der heißen Jahreszeit hinterher mit "Wenn jetzt Sommer wäre" und schmetterte zur Klavierbegleitung "Stayin’ Alive" von den Bee Gees. Ein Kneipenchor tritt nicht unbedingt a cappella auf, sondern bringt instrumentale Verstärkung mit. So fuhr der Kneipenchor Erlangen nebst Gitarren und Schlagzeug zwei Trompeten auf. Die brauchte es auch für "Papa was a Rolling Stone".

Für weitere Perkussion sorgte das Klirren anstoßender Bierflaschen, die die Sänger demonstrativ schwenkten. Höhepunkte des Lokalmatadors waren allerdings Balladen: Cat Stevens’ "The first Cut is the deepest", sowie "Krawall und Remmidemmi" von Deichkind, ein Gesang, der zwischen Melancholie und trotzigem Aufbegehren dramatisch wechselte.

Der Würzburger Kneipenchor muss aus einer Anarchistenkneipe stammen: Verstärkt mit Mundharmonika und Megaphon sowie grummelndem E-Bass gerierten sich die Würzburger als "links versiffte Punkieband" (Eigendarstellung), die sich ihre Meriten offenbar auf zahllosen Straßendemos erworben hatten. Nicht von ungefähr besangen sie die "Grabbing Hands".

Auf Klassenkampf folgte Weltkulturerbe: Der "Bud Spencer Heart Chor" aus München zollte dem wuchtigen Schlagetot der Prügelklamotten aus den Siebzigern Tribut, indem er die Titelsongs seiner Filme wie "Plattfuß am Nil" oder "Buddy haut den Lukas" intonierte.

Die Fans von einst fanden sich stilgerecht auf der Bühne ein: Die Männer in kariertem Holzfällerhemd, die Frauen in Jeansbluse. Höhepunkt war Ennio Morricones "Wilde Horde" aus "Mein Name ist Nobody": Der anzitierte Walkürenritt, auf Entenlockpfeife dargeboten, markierte wohl den parodistischen Gipfelpunkt des ganzen Abends.

Zur Abrundung trat der Münchener Kneipenchor in Feinrippunterwäsche und rosaroten Luftballons auf – mit Queen-Klassikern wie "Don’t stop me now". Ihm gebührt auch der Sonderpreis für das originellste Emblem: ein Totenkopf über gekreuztem Flaschenöffner und Korkenzieher.

 

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