Kommt es in Erlangen zu einem kompletten Stadtumbau?

23.11.2013, 16:50 Uhr
Kommt es in Erlangen zu einem kompletten Stadtumbau?

© Bernd Böhner

Es war eine illustre Runde, die sich da in der letzten Woche in der Münchner Staatskanzlei eingefunden hatte, um nur ein einziges Thema zu behandeln: den Stadtumbau in Erlangen.

Ministerpräsident Horst Seehofer, der derzeit gerne alles zur „Chefsache“ macht, hatte nicht nur sein Kabinett fast komplett um sich versammelt (Innennminister Joachim Herrmann, Finanzminister Markus Söder, Kultusminister Ludwig Spaenle, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Umweltminister Marcel Huber, Staatskanzlei-Chefin Christine Haderthauer), er hatte auch hochrangige Gäste dazugebeten: Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser, Finanzvorstand Ralf P. Thomas, den fränkischen Chef der Industriesparte Prof. Siegfried Russwurm und den Regionalmanager Franken, Heinz Brenner. Und – nicht zu vergessen – Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis, den Seehofer schon lange kennt, als „Betroffenen“.

Und es zeigte sich sehr schnell – so Siegfried Balleis – , dass das, was der Öffentlichkeit bisher nur als „Machbarkeitsstudie“ offeriert worden war, nämlich den Bau eines neuen 500-Millionen-Siemens-Campus auf dem Gelände des Forschungszentrums sowie der Umzug von rund 9000 Siemens-Mitarbeitern aus der Stadtmitte ins neue Südgelände, ziemlich handfest ist und offenbar viel konkreter ist als eine Studie.

„Flaggschiff“ für Philosophen

Dass dazu auch die Räumung des alten Flaggschiffs der Siemens-AG in Erlangen gehört, des Himbeerpalastes, war schon längst durchgesickert und Gegenstand der Berichterstattung – nur so konkret war das wohl noch nie in einer Runde der Entscheider verhandelt worden. Konkret heißt: Siemens wird seinen Campus bauen und seine Ingenieurs-Arbeitsplätze und seine Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten stark in den neuen Stadtteil verlagern, der Himbeerpalast wird Sitz fast der gesamten philosophischen Fakultät werden, und der Präsident der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Karl-Dieter Grüske, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar die erziehungswissenschaftliche Fakultät aus den baufälligen Räumen in der Regensburger Straße in Nürnberg – Grüske beziffert den Sanierungsbedarf der dortigen Gebäude auf deutlich über 30 Mio. Euro – nach Erlangen holen. „Auch aus fachlichen Erwägungen“, wie er sagt, schließlich könne so der gesamte Bereich der Pädagogik zusammengeführt werden.

Der Uni-Präsident dürfte nicht allzu böse gewesen sein, als Balleis sich dieser Tage für den Universitäts-Standort Erlangen stark machte und den Vorschlag, Teile der Technischen Fakultät im Erlanger Südgelände nach Nürnberg abzugeben, abschlägig beschied. Schließlich sei der Standort im Erlanger Stadtsüden in der Entwicklung, habe der Freistaat in den letzten Jahren hohe dreistellige Millionensummen investiert, sei der Standort auch mit dem Fraunhofer-Instituts und der Max-Planck-Gesellschaft derart gut vernetzt, dass man auch räumlich auf Synergieeffekte nicht verzichten wolle. Und: Mit dem Energie-Campus am alten AEG-Standort habe Nürnberg bereits einen starken und entwicklungsfähigen Teil der Fakultät längst im eigenen Hause.

Deshalb perlt an Balleis auch die Kritik seiner Nürnberger CSU-Kollegen ab, die – namentlich der CSU-Landtagsabgeordnete Michael Brückner und der CSU-OB-Kandidat Sebastian Brehm – via Süddeutsche Zeitung Balleis „Kirchturmdenken“ vorwerfen, das sich nicht mit seiner Rolle als Ratsvorsitzender der Metropolregion vertrage. „Albern“ findet Balleis’ Reklamation aber auch der Erlanger SPD-Fraktionschef und OB-Kandidat Florian Janik, der den Uni-Standort Erlangen keineswegs gefährdet sieht, wenn die Technische Fakultät geeignete Lehrstühle aus Erlangen nach Nürnberg abgeben würde.

Doch Balleis hat jetzt andere Sorgen – Luxussorgen. „Wenn der Siemens-Campus Immobilien in der Innenstadt frei macht, profitiert nicht nur die Universität, die in Ruhe ihre maroden Bauten der philosophischen Fakultät in der Kochstraße abreißen kann.“ Es profitiere auch der Wohnungsmarkt in Erlangen, der deutlich entlastet werde – schließlich säßen sowohl Siemens als auch die Universität in vielen Wohnhäusern.

Zusammen mit der geplanten Wohnbebauung im Siemens-Campus und dem Neubaugebiet auf dem alten Brucker-Sportgelände ergäben sich völlig neue Chancen – „das kommt einen Stadtumbau so nah wie der Bau des Röthelheimparks“, ist Balleis überzeugt. Und es mische die Karten völlig neu für ein von ihm bislang eher distanziert betrachtetes Projekt: die Stadt-Umland-Bahn. Die, so schätzt er, könne auf alternativer Trasse (bis zum S-Bahnhof Gossenstraße und von dort am neuen Landratsamt vorbei zum Bahnhof) „dann doch durchaus sinnvoll sein, wird doch ein leistungsfähiger Nahverkehr benötigt.“



Für Balleis steht aber auch fest, dass der Freistaat das Projekt „großzügig“ fördern, gar eine „lex Garching“ gelten müsse, wo der Freistaat eine 90-prozentige ÖPNV-Förderung möglich machte.

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