Korrespondenz der komplexen Bildlösungen

25.9.2007, 00:00 Uhr
Korrespondenz der komplexen Bildlösungen

© Bernd Böhner

Die Frage nach der Wirklichkeit wird nachdrücklich dadurch gestellt, dass die Ausstellung mit Gerd Dollhopf und Bernd Telle Realismus und mit Sabine Freudenberger und Herbert Liedel Abstraktion in der Fotografie neben- und gegeneinander stellt. Deutlich wird darin vor allem, dass der alte Wettstreit zwischen Malerei und Fotografie um die kompetente Abbildung von Wirklichkeit sich in ein dialogisches Verhältnis gewandelt hat, in dem komplexe Bildlösungen korrespondieren.

Bei der frühen Konkurrenz zwischen Fotografie und realistischer Malerei hat es sich tatsächlich um ein Scheinproblem gehandelt. Inzwischen arbeiten beide gleichberechtigt mit Abstraktion und Abbild. Die Fotografie verfügt über neue Techniken, mit denen sich die von der Kamera eingefangenen Bilder nach Gutdünken verändern lassen. Die Malerei hat im Fotorealismus Verfahren zur porentiefen Abbildung von Wirklichkeit entwickelt.

Motiv der Landschaft

Dieses Changieren der Bildwirklichkeit zwischen realem Motiv und Abstraktion ist in den Arbeiten von Sabine Freudenberger thematisch geworden. Obwohl das Motiv der Landschaft nicht einmal mehr in Restbeständen vorhanden ist, bleibt deren atmosphärische Erscheinung in den Werkreihen «Atlantik», «Galway Bay» und «Joyce’s Country» vollkommen gegenwärtig. Und das hängt nicht zuletzt mit den Großformaten zusammen, die mit konventionellen Vergrößerungstechniken nicht zu erreichen wären, ohne dass dabei die technischen Prozesse in den Vordergrund treten.

Das ist eher bei Herbert Liedel der Fall. In seinen Bildern dominiert die Lust am Experiment mit der Technik, das damit zum eigentlichen Motiv wird. Der Versuch, sich vom fotografischen Realismus seiner bekannten Serien zur fränkischen Landschaft zu lösen, ist nicht zu übersehen.

Den umgekehrten Weg, nämlich das reale Motiv von seinem Abbild-Charakter zu befreien, gehen die beiden «Realisten» der Ausstellung. Bernd Telle zitiert in seiner Serie «Kuba» die traditionelle Bildreportage, ohne sich auf deren ereignishafte Struktur einzulassen. Diese Distanz zur abgebildeten Wirklichkeit verstärkt er dadurch, dass die einzelnen Bilder ohne konkrete Titel bleiben.

Gerd Dollhopf ist mit seinen Porträts der Tataren in einem Dorf in Baschkirien der fotografische Ethnologe der Ausstellung. Die Bilder zeigen die Dorfbewohner in ihrer Lebenswelt in strenger Frontalität, eine Form der Bildinszenierung, die an alte Familienfotos erinnert, zugleich aber stringente Kompositionen entwirft.

Auch hier wird Distanz gewahrt durch die Diskretion, die dem Dargestellten seine Würde bewahrt. KURT JAUSLIN