Bürger- und Ratsbegehren im Mai

"Lebendige Demokratie" oder "Armutszeugnis"? Höchstadter entscheiden über Wohngebiet am Häckersteig

Claudia Freilinger

Nordbayerische Nachrichten Herzogenaurach/Höchstadt

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7.3.2023, 09:37 Uhr
Motiv: Vortrag des BN in Höchstadt zum Flächenfraß; Höchstadt wächst am  Häckersteig Richtung Nordwesten  Foto: Karl-Heinz Panzer

© Karl-Heinz Panzer, NN Motiv: Vortrag des BN in Höchstadt zum Flächenfraß; Höchstadt wächst am Häckersteig Richtung Nordwesten Foto: Karl-Heinz Panzer

Nach einer Diskussion mit viel Pathos haben die Höchstadter Stadträte entschieden, dem Bürgerbegehren zu einem geplanten Wohnbaugebiet am Häckersteig ein Ratsbegehren entgegenzusetzen. Warum? "Einfach damit klar ist, was wir meinen", fasst es Sozialdemokrat Andreas Hänjes zusammen.

Vorausgegangen war eine aufgeregte Debatte, die CSU-Stadtrat Bernd Herberger zu der Aussage brachte: "Ich verstehe die Schärfe hier nicht - es geht nicht um große Politik." Selbstverständlich sei das Bürgerbegehren gegen den aktuellen Flächennutzungsplan zulässig. Der Plan sieht im Westen der Stadt ein Wohnbaugebiet vor, dessen Größe der Stadtrat seit der Aufstellung am 20. Juli 2020 noch zwei Mal reduziert hat. Genau das ist einer der Knackpunkte: Denn die Bürgerinitiative „Rettet den Häckersteig“ hat schon Unterschriften gesammelt, bevor diese Kompromisse eingearbeitet waren.

"Wir können dem Begehren nicht zustimmen, weil die Unterzeichner teils von anderen Begebenheiten ausgehen mussten", betont der Fraktionssprecher der Jungen Liste (JL), Michael Ulbrich. Da die Gestaltung des Plans sich mehrfach änderte, sei nicht ersichtlich, gegen welchen Planungsstand sich das Begehren wendet. Der Begriff Häckersteig sei nicht definiert, auch nicht der Umfang der Wohngebiete“, so auch die Einschätzung der Stadtverwaltung.

"Wir sind in keiner Weise gegen eine Bürgerbefragung", betont Fraktionssprecher Ulbrich. Die Junge Liste ziehe aber aufgrund rechtlicher und formeller Bedenken ein Ratsbegehren vor. "Lasst uns die Frage etwas präzisieren", fordert sein Parteifreund Martin Oberle. Inhaltlich gehe es beim Ratsbegehren um nichts anderes. Die Junge Liste wolle aber vermeiden, dass die Bürger zwei Fragen beantworten müssen und es dann noch zusätzlich eine Stichfrage gibt. "Das ist dann eher verwirrend."

"Ich hätte mich geschämt"

Axel Rogner, ebenfalls Junge Liste, wird deutlich. Aus seiner Sicht ist es ein "Armutszeugnis", dass die Bürgerinitiative zwei Jahre gebraucht hat, um die das nötige Quorum an Unterschriften zu erreichen. "Ich hätte mich geschämt, dann auch noch eine rechtlich so zweifelhafte Fragestellung bei der Verwaltung abzugeben." Die Frage lautet: „Sind Sie dafür, dass im weiteren Verfahren des in Aufstellung befindlichen Flächennutzungsplanes das Gebiet Häckersteig als unwiederbringliches Naturareal erhalten bleibt und deshalb nicht als Wohngebiet 01-03 im Planentwurf ausgewiesen wird?“

Die Bedenken richten sich gegen mehrere Formulierungen, neben dem Begriff „Häckersteig“ gehe es um generell formulierte Frage, dass kein Wohngebiet ausgewiesen werden soll. Hierin könne ein Verstoß gegen das Baugesetzbuch vorliegen, so die Verwaltung. Eventuell nehme dies „der Stadt in unzulässiger Weise ihr Planungsspielraum“.

"Wenn dann rechtlich jemand dagegen vorgeht, verzögert sich das Verfahren weiter", betonte Bürgermeister Gerald Brehm (JL). Diese Zweifel seien mit der Rechtsaufsicht am Landratsamt besprochen worden, heißt es in den Stadtratsunterlagen. Diese könne der Argumentation der Verwaltung zwar auf jeden Fall folgen, sehe jedoch „keine Probleme, die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu bestätigen“.

Die sieht auch CSU-Fraktionssprecher Alexander Schulz nicht. Die Frage sei "klar formuliert" und es sei nicht ratsam "Gründe an den Haaren herbeizuziehen", die dagegen sprechen. Trotzdem möchte auch die CSU ein Ratsbegehren dagegensetzen, damit es keine Missverständnisse gibt, über welchen Planungsstand entschieden wird.

Klimaneutrale Stadtgesellschaft als Ziel?

An den gesammelten Unterschriften selbst hat die Verwaltung nichts zu beanstanden. Die Meldebehörde habe die 1152 eingereichten Unterschriften geprüft. 1029 seien gültig, womit die nötige Mindestanzahl von 995 erreicht ist. "Haben wir jetzt den Mut zur lebendigen Demokratie", forderte Peter Winkler von den Grünen. "Das Ziel einer klimaneutralen Stadtgesellschaft sollte sich im Flächennutzungsplan widerspiegeln." Der AfD-Vertreter Christian Beßler warf Winkler "Doppelzüngigkeit" vor. Er sei Mitglied einer "Verbotspartei" und spreche jetzt auch für lebendige Demokratie.

Die Grünen stellten ihre drei Stimmen gegen ein Ratsbegehren, das die übrigen Mitglieder des Stadtrats befürworteten. Die Junge Liste hatte vorher einstimmig dagegen votiert, das Bürgerbegehren zuzulassen, war aber mit 13 zu zehn überstimmt worden. Die Verwaltung muss nun eine Formulierung für die Frage im Ratsbegehren finden und diese dem Gremium vorschlagen. Die Bürger dürfen dann wahrscheinlich am 21. Mai abstimmen. "Ich freue mich auf die Entscheidung der Bürger", betonte der Bürgermeister.

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