Literaten im Erlanger E-Werk

7.4.2021, 19:00 Uhr
Literaten im Erlanger E-Werk

© Apollonia Theresa Bitzan

Einige Erlanger haben sie vielleicht schon entdeckt und sich gefragt, was dahinter steckt: Seit Ende März treffen Passanten in Erlangen an einigen Ecken auf Plakate, auf denen literarische Auszüge aus einem Buch abgedruckt sind. Hintergrund ist eine Aktion des Kulturzentrums E-Werk, das seine Plakatflächen in Erlangen dafür nutzt, die Menschen trotz aktueller Schließung mit etwas Kultur im Alltag zu versorgen und gleichzeitig auf die im E-Werk bereits etablierte Reihe LeseSalon hinzuweisen. Der nächste Termin dieser Reihe ist ein Online-Stream am 7. April 2021.

"Saya hat kein Trauma. Wir haben alle keins . . . " beginnt der Text auf einem Plakat direkt in der Erlanger Hauptstraße. Das E-Werk bietet einen Literatur-Spaziergang an, der von einem öffentlichen Bücherschrank zum nächsten führt. Die Route startet in der Nähe des Bücherschrankes in der Nürnberger Straße, führt über den Theaterplatz und endet wiederum bei einem Bücherschrank neben dem Kulturzentrum E-Werk.

Literaten im Erlanger E-Werk

© Heike Steinweg

Mit dem Literatur-Spaziergang möchte das E-Werk die Leute einladen, sich auf den Weg zu machen, die Textauszüge zu lesen und dadurch vielleicht neugierig auf das eine oder andere Buch zu werden. Zudem kann man zu Anfang und zu Beginn noch bei den jeweiligen Bücher-Tauschregalen stoppen und gelesene Bücher gegen andere eintauschen.

Etablierte Reihe

Die bereits seit längerem etablierte E-Werk-Literatur-Reihe namens LeseSalon findet unter normalen Umständen in der E-Werk-Clubbühne statt und legt ihren Fokus auf aufregende, frische und junge Gegenwartsliteratur. Corona-bedingt wird die Reihe am 7. April erstmals per kostenlosem Live-Stream ab 20 Uhr direkt in die Wohnzimmer gesendet. Gast ist die vielbeachtete Gegenwartsautorin Deniz Ohde, die ihren Roman "Streulicht" vorstellt.

Literaten im Erlanger E-Werk

© Lorena Seipp

Zum Inhalt: Industrieschnee markiert die Grenzen des Orts, eine feine Säure liegt in der Luft, und hinter der Werksbrücke rauschen die Fertigungshallen, wo der Vater tagein, tagaus Aluminiumbleche beizt. Hier ist die Ich-Erzählerin aufgewachsen, hierher kommt sie zurück, als ihre Kindheitsfreunde heiraten. Und während sie die alten Wege geht, erinnert sie sich: an den Vater und den erblindeten Großvater, die kaum sprachen, die keine Veränderungen wollten und nichts wegwerfen konnten, bis der Hausrat aus allen Schränken quoll. An die Mutter, deren Freiheitsdrang in der Enge einer westdeutschen Arbeiterwohnung erstickte, ehe sie in einem kurzen Aufbegehren die Koffer packte und die Tochter beim trinkenden Vater ließ. An den frühen Schulabbruch und die Anstrengung, im zweiten Anlauf Versäumtes nachzuholen, an die Scham und die Angst – zuerst davor, nicht zu bestehen, dann davor, als Aufsteigerin auf ihren Platz zurückverwiesen zu werden.

Wahrhaftig und einfühlsam

Deniz Ohde, geboren 1988 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik in Leipzig, wo sie heute auch lebt. Für ihren Debütroman "Streulicht", der auf der Deutscher-Buchpreis-Shortlist stand, wurde sie mit dem Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung und dem aspekte-Literaturpreis 2020 ausgezeichnet. Wahrhaftig und einfühlsam erkundet Deniz Ohde in ihrem Debütroman die feinen Unterschiede in unserer Gesellschaft. Satz für Satz spürt sie den Sollbruchstellen im Leben der Erzählerin nach, den Zuschreibungen und Erwartungen an sie als Arbeiterkind, der Kluft zwischen Bildungsversprechen und erfahrener Ungleichheit, der verinnerlichten Abwertung und dem Versuch, sich davon zu befreien.

Hauptsächlich Open Air

Die weiteren LeseSalon-Termine mit Shida Bazyar (6. Mai), Olivia Wenzel (8. Juni), Paula Irmschler (18. Juni) und Stefanie Sargnagel (22. Juni) sollen hauptsächlich Open Air im E-Werk-Garten stattfinden.

Alle Informationen zum Lese-Spaziergang und zur Reihe LeseSalon gibt es auf der Homepage des E-Werks. Die Plakate zum Lese-Spaziergang werden bis Ende April in Erlangen hängen.

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