Mit Teelichten im Erlanger E-Werk auf Mördersuche

8.9.2015, 06:00 Uhr
Mit Teelichten im Erlanger E-Werk auf Mördersuche

© Sebastian Balcerowski

Udo Adelmeyer, Mitarbeiter des E-Werks, hat seine Hände am Steuerpult für das Licht. „Und nun hören Sie den Wetterbericht für morgen, Montag, den 7. September . . .“, sagt Nachrichtensprecher Jan Hofer.

Wenig später wird es im Raum schlagartig dunkel. Über dem Bildschirm läuft der Vorspann für den Luzern-„Tatort“. Wie immer seit Oktober 2007, zeigt das E-Werk am Sonntag um 20.15 Uhr eine Erstausstrahlung der kultigen Krimireihe.

Bereits kurz nach 19 Uhr hat Karl-Heinz Rowedder seinen Schirm vor der Tür zum Tanz-Werk im ersten Stock abgestellt. Er möchte vorne rechts auf dem Sofa sitzen und wartet daher frühzeitig, bis kurz nach 19.30 Uhr der Saal für das Public Viewing aufgesperrt wird.

Unterricht besonderer Art

„Ich sammle die Wörter aus dem ,Tatort‘“, sagt der Betriebswirt, „und schicke sie dann per E-Mail an einen internationalen Doktoranden“ – ein Deutschunterricht besonderer Art. Wegen des Dialekts gefällt ihm der Bodensee-„Tatort“ am besten, so stammt er ja selbst aus dem Schwarzwald. Seine Lieblingsstädte im „Tatort“ sind daneben noch Köln, München und Leipzig.

Endlich hat die Folge begonnen. Die lautesten Geräusche im Publikum sind das Zerbeißen von Knabbereien und leises Geflüster der Sitznachbarn: Pärchen oder Freunde. Nur 13 Zuschauer sind diesmal im Saal, der bis zu 60 fassen würde.

Gleich zu Beginn ein Schuss, der das Opfer zur Seite schleudern lässt. Ein Zuschauer hält sich die Hand vors Gesicht. Szenenwechsel: Ein kleines Mädchen, eine Nachbarin des Täters, sagt „Grüezi“, kurze Lacher im Publikum, dann rennt der Täter wortlos an dem Mädchen vorbei.

Mit Teelichten im Erlanger E-Werk auf Mördersuche

© Sebastian Balcerowski

Den Studentinnen Lisa und Hanna sagt das Public Viewing zu. „Hier ist es schöner als zu Hause am Laptop, und eng wäre es da auch zu zweit“, sagt Lisa. Die Beiden gaben während der ersten Filmhälfte einen Tipp ab, wer der Täter ist. „Jede dritte Auflösung im ,Tatort‘ ist aber trotzdem eine Überraschung“, meint Lisa.

Die Schlussszene hat es in sich. Die Zuschauer wippen auf den Stühlen hin und her. Simon Amstad (Antoine Monot Junior, bekannt aus der Werbung einer Technik-Kette), umarmt seine Frau Karin (Sarah Hostettler). Kurz zuvor war Karin nahe dran, ihren Mann als Serientäter bei der Polizei zu verraten.

Simon hat aus Verbitterung gegenüber der gelähmten Justiz selbst zum Gewehr gegriffen. Er will damit die Vergewaltigung seiner Frau rächen. Inmitten der Umarmung fasst Karin seine Pistole, die er an ihren Kopf hält. Kommissar Flückiger (Stefan Gubser) rennt die Treppe nach oben. Man hört einen Schuss. „Scheiße“, ruft eine Stimme im Publikum.

„Ich nehme mein Statement zurück“, sagt Stefan, Elektroingenieur. Ursprünglich meinte er, der Schweizer „Tatort“ habe die Ruhe weg, aber diese Folge mit insgesamt sechs Leichen hatte es in seinen Augen in sich.

„Klasse, mir hat es gefallen“, sagt er und blickt zu seiner Frau Katja, stellvertretende Filialleiterin einer Drogerie. Die Beiden kommen „regelmäßig, fast immer“, sagen sie. Sie mögen vieles am „Tatort“, außer wenn Till Schweiger amerikanische Sirenen in den Film einbaut und am liebsten den Vorspann modernisieren möchte. „Der ist genau so klasse“, findet Stefan. Die Querköpfe wie Faber in Dortmund gefallen ihm besonders, weil sie letztlich ein vollständigeres „Abbild der Gesellschaft“ sind.

Nach dem Film trinken die Gäste schnell ihre Gläser aus, man räkelt sich, Udo Adelmeyer sammelt die Teelichte ein. Er blickt zu Scherben eines zerbrochenen Glases. „Da werden sie sich morgen beim Putzen freuen“, meint eine seiner Kolleginnen. „Sind heute mehr gekommen als erwartet“, sagt Adelmeyer. „Aber richtig voll wird es dann wieder mit dem Semesterbeginn.“

Vielleicht lockt das E-Werk nächsten Sonntag schon mehr Gäste, wenn es die Folge „Hinter dem Spiegel“ mit Hauptkommissar Paul Brix aus Frankfurt am Main zeigt.

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