Mobile Jugendarbeit in Heroldsberg ist ein Erfolg

Scott Johnston

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11.1.2023, 14:47 Uhr
Anpacken statt abhängen: Bei der Renovierung der Bauwagen am Festplatz bewiesen die Jugendlichen, dass der Ansatz von Streetworker Ralf Hingler, ihnen möglichst viel Selbstständigkeit zuzubilligen, genau der richtige ist. Foto: Scott Johnston

Anpacken statt abhängen: Bei der Renovierung der Bauwagen am Festplatz bewiesen die Jugendlichen, dass der Ansatz von Streetworker Ralf Hingler, ihnen möglichst viel Selbstständigkeit zuzubilligen, genau der richtige ist. Foto: Scott Johnston

Kommunikation bewirkt meist mehr als reine Überwachung. Dies zeigte sich auch beim Umgang mit Vandalismus in Heroldsberg. Zunächst versuchte es die Gemeinde mit Security-Kräften, welche die einschlägigen Plätze ins Visier nahmen.

Doch wie Jugendliche so sind, bereitete es ihnen schnell Spaß, die Schwarzen Sheriffs hinters Licht zu führen. Im Nu entstand daraus ein Katz-und-Maus-Spiel, das in der Regel die Halbwüchsigen gewannen. Manch kritischem Beobachter drängte sich sogar der Eindruck auf, die Zerstörungen würden dadurch eher zu- als abnehmen.

Da es den Gemeinderäten und sozialen Organisationen noch stärker um die Jugendlichen selbst als um die Sachbeschädigungen ging, entwickelte sich aus diesem Flop ein Erfolgsmodell: die mobile Jugendarbeit in der Vier-Schlösser-Gemeinde. Immer wieder trafen sich Vertreter unter anderem der Verwaltung, des Gemeindeparlaments, der Kirchen, der Schulen, des Freundeskreises Suchthilfe, des Schützenvereins und der Jugendsozialarbeit, um ein nachhaltiges Konzept zu erarbeiten. Mit Ralf Hingler wurde vor mittlerweile elf Jahren der ideale Mann für die Umsetzung gefunden.

Eigentlich ist der Sozialpädagoge aus Nürnberg Streetworker und wird von den Jugendlichen auch gern "Streety" gerufen, doch so recht anfreunden kann er sich mit dieser Berufsbezeichnung nicht: "Der Begriff weckt inzwischen leider häufig negative Assoziationen. Zahlreiche Menschen denken, dass sich ein Streetworker in erster Linie um Problemfälle kümmert, um Jugendliche, die straffällig geworden sind, zur Gewalt neigen oder Drogen konsumieren. Das ist aber nur ein Teilbereich der Arbeit."

In Heroldsberg besteht Hinglers Zielgruppe überwiegend aus "ganz normalen" Teens. Viele sind am Gymnasium, der Real- oder Mittelschule recht erfolgreich, wollen alles andere als Randale machen oder lustlos abhängen. Einer der Wortführer aus der Anfangszeit ist derweil selbst auf dem Weg zum Pädagogen und absolviert momentan sein Referendariat als angehender Realschullehrer.

Ein Unternehmer spendete einen Bauwagen

Der große Wunsch der Jugendlichen war anno 2008 ein Treffpunkt ohne Aufsichtspersonal. Ein Unternehmer spendete daraufhin einen Bauwagen, den sie eigenhändig auf Vordermann brachten.

Auch Rückschläge steckten sie geduldig weg. Eines Nachts brachen Unbekannte — und wahrscheinlich waren es ältere Semester — in den Wagen ein, zerstörten die Fensterläden und eine Lampe. Die Täter wurden nie gefasst, der Holzwagen repariert.

Von der katholischen Pfarrei kam vor einigen Jahren ein zweiter Wagen mit Runddach hinzu. Bei beiden Wagen hinterließ die Witterung im Laufe der Zeit ihre Spuren, so dass jetzt erneut handwerkliches Geschick gefragt war. Vor allem die Dächer mussten wieder gut abgedichtet werden.

Hingler ist froh, dass der Bauhof des Marktes die mobile Jugendarbeit unterstützt, Werkzeuge oder einen Transporter bereitstellt. Bei Bedarf geben die Mitarbeiter auch den ein oder anderen fachmännischen Tipp.

Zentral ist für Ralf Hingler dabei, dass die Jugendlichen Eigeninitiative entwickeln: "Es soll nichts von oben oktroyiert oder vorgegeben werden, weshalb ich mich weitgehend zurückhalte, mich auf wenige Anregungen oder Hinweise beschränke und in erster Linie dazu animiere, selbst eine Lösung zu finden."

Auf keinen Fall will der Sozialpädagoge als Ersatz-Polizist agieren. "Dann hätte ich das Vertrauen rasch verspielt. Natürlich müssen die Gesetze eingehalten werden, aber wenn man mit den Jugendlichen ohne aggressiven Unterton über Lärm, Alkohol und Vandalismus spricht, zeigen sie ehrliches Verständnis dafür, dass in einer funktionierenden Gesellschaft einer auf den anderen Rücksicht nehmen muss", erläutert der 53-Jährige.

Jugend hält sich bei Techno-Party an die Sperrzeit

Dies sind keine hohlen Worte. Bei einer Techno-Party am Festplatz, wo die Bauwagen stehen, hielt sich die Gruppe minutengenau an die Sperrzeit — und erntete prompt Lob von den Anwohnern. "Da die Jungs auch sonst sehr darauf achten, niemanden zu stören, werden sie von vielen Bürgern längst respektiert. Bei herumliegendem Müll ist es leider so, dass die Jugendlichen oft zu Unrecht verdächtigt werden. Sie für Dinge anzuschnauzen, für die sie nichts können, verschlechtert das Verhältnis bloß", hebt Hingler hervor.

Mit ihren spektakulären Sprüngen bereicherten in den zurückliegenden Jahren die "Stabilo Trails" das Heroldsberger Straßenfest oder die Kirchweih im Nürnberger Stadtteil Ziegelstein. Doch die Mitglieder sind nun erwachsen und zogen vielfach fort, so dass das Trainingsgelände bei Schwan-Stabilo nicht mehr gepflegt werden kann. Hingler möchte freilich versuchen, das Knowhow der "Dirt-Biker" jungen Mountainbike-Fahrern zugänglich zu machen, ohne dass der Naturschutz unter diesem Sport leidet.

Kunst statt Schmierereien

Zusammen mit der örtlichen Agenda-21-Gruppe organisierte er weiterhin eine Graffiti-Aktion an der Bahnhofsunterführung, wodurch diese — statt mit wilder Sprayerei verunstaltet — gezielt verschönert wurde. Auch die Mithilfe beim Ferienprogramm ist für ihn selbstverständlich.

Die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden wie Eckental, Kalchreuth, Uttenreuth, Hemhofen, Herzogenaurach oder Baiersdorf trieb er hierbei voran. Hinzu kommen regelmäßige Sprechstunden für Jugendliche und Eltern. Und natürlich engagiert sich Ralf Hingler auch bei Problemfällen: "Als ich einen 16-Jährigen davon abhalten konnte, seine Lehre abzubrechen, waren wir nach langen Gesprächen am Ende beide glücklich."

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