"Mulmiges Gefühl": Stimmen zur Durchsuchung der Grünen-Fraktionsräume

5.5.2021, 06:00 Uhr

© Bernd Böhner

Barbara Pfister (SPD): "Als wir von der Durchsuchung des Fraktionsbüros unserer Kolleginnen und Kollegen von den Grünen/der Grünen Liste am 25. März erfuhren, waren wir regelrecht schockiert.

Von Anfang an konnten wir uns nicht vorstellen, welche Straftat so gravierend sein könnte, nicht nur die Durchsuchung, sondern auch die Beschlagnahmung der Computer zu rechtfertigen. Wir hatten erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen. Als wenige Tage später die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung gerichtlich festgestellt wurde, sahen wir dies einerseits als befriedigend und beruhigend an, sind aber über den Vorfall noch stärker irritiert.

Wir wissen auch, dass das Handeln staatlicher Behörden in vielen Fällen kritikwürdig ist und uns nicht ausreichend vor rechter Gewalt und der Aushöhlung der Demokratie geschützt hat. Aus diesem Grund sind diejenigen, die die Demokratie gegen die Angriffe von Rechts verteidigen, auf das Engagement von Menschen angewiesen, die häufig auch unter hohem persönlichen Risiko die Machenschaften der rechten Szene beobachten, dokumentieren und öffentlich bekannt machen. Dies ist unverzichtbar. Und es ist auch erschreckend, wie von rechten Kräften gezielt Anzeigen gegen Antifaschisten mit dem Ziel erstattet werden, diese einzuschüchtern."

Stellungnahme der Stadt Erlangen: "Wenn Mitarbeitende der Stadtverwaltung gemäß Paragraph 105 der Strafprozessordnung als Durchsuchungszeugen von den Ermittlungsbehörden hinzugezogen werden, haben sie zum einen eine Verschwiegenheitspflicht und sind zum anderen nicht befugt, Einfluss auf den Ablauf zu nehmen.

Ein Durchsuchungszeuge wird nur hinzugezogen, um das Geschehen zu beobachten. Entscheidungen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft außer Vollzug zu setzen oder eigenständige Entscheidungen über den Ablauf einer Durchsuchung zu treffen, ist Durchsuchungszeugen schon aus rechtsstaatlichen Gründen nicht möglich.

Beim Vorliegen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses wird die Stadtverwaltung und ihre Mitarbeitenden auch in Zukunft mit den Ermittlungsbehörden in der rechtlich gebotenen Weise kooperieren."

Oberbürgermeister Florian Janik: "Es ist ein mulmiges Gefühl zu erfahren, dass es möglich ist, dass Fraktionsbüros durchsucht werden können. Es ist mulmig und es macht einem Sorge, und es macht einem auch Angst. Und das noch mehr, wenn sich hinterher herausstellt, dass genau diese Durchsuchung unverhältnismäßig gewesen war, weil ein Gericht zu einem falschen Ergebnis gekommen ist."

Sophia Schenkel (CSU): "Dass der von ihnen (die Grünen, Anm. d. Red.) so beklagte Rechtsstaat dann doch ganz gut funktioniert hat, hat das Urteil des Landgerichts gezeigt. Deshalb ist es uns in der Diskussion wichtig, klar zu stellen, wie wir mit dem politischen Gegner, vor allem aber mit den Feinden unserer Verfassung und unserer Demokratie umgehen. Dafür gibt es verschiedene Maßstäbe, an die sich alle Demokraten halten sollten. 1. Gewalt kann nicht mit Gewalt und verfassungsfeindliche Einstellungen nicht mit Straftaten bekämpft werden. 2. Das Bekenntnis zum Rechtsstaat ist elementar.

Als CSU-Stadtratsfraktion haben wir höchstes Vertrauen in unsere Ermittlungsbehörden und in die Justiz. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass der Rechtsstaat sehr wohl mit Nazis, Reichsbürgern, Rechtsextremisten, Linksextremisten, Steinewerfern und Querdenkern fertig wird.

Die demokratischen Parteien sitzen alle im selben Boot. Wir haben alle die selben Ziele. Liefern Sie (die Grünen, Anm. d. Redaktion) den Rechten nicht auch noch die Themen oder gar die Möglichkeit, sich als Opfer zu fühlen. Vertrauen wir unserem Rechtsstaat."

Joachim Jarosch (ÖDP): "Diese Durchsuchung ist aus unserer Sicht ein sehr sonderlicher Vorgang. Wir fragen uns, welche Vorkehrungen oder Schutzmaßnahmen die Stadtverwaltung trifft, um die Fraktionen in ihrem demokratischen Wirken nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern diese auch nicht eingeschüchtert werden.

Unser Bundespräsident Steinmeier hat angesichts zunehmender Angriffe auf Kommunalpolitiker zur zivilgesellschaftlichen Gegenwehr aufgerufen. Ich glaube, dass das dringend notwendig ist."

Holger Schulze (FDP): "Die gute Nachricht ist, dass von der Justiz festgestellt wurde, dass die Durchsuchung unverhältnismäßig war. Insofern hat unserer Rechtssystem an dieser Stelle funktioniert, auch wenn es am Anfang einen Fehler gemacht hat."

Anette Wirth-Hücking (Freie Wähler): "Der Vorfall hat wieder einmal gezeigt, wie zerbrechlich unsere Demokratie ist und wie wir als Stadträtinnen und Stadträte angreifbar sind. Leider sind in allen Schichten Rechtspopulisten unterwegs, auch bei Polizei, Richtern oder Staatsanwälten."

Martin Hundhausen (Klimaliste Erlangen): "Die politische Arbeit soll behindert werden. Deshalb müssen wir uns klar positionieren. Alle demokratischen Kräfte müssen solidarisch zusammenstehen, auch wenn unsere politischen Ansichten in vielen Dingen unterschiedlich sind. Wir dürfen einen solchen Vorfall nicht auf die leichte Schulter nehmen, auch nicht mit dem Hinweis auf den funktionierenden Rechtsstaat."

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