Nach dem Flugzeugabsturz bei Kraftshof: Einsatzleiter erinnert sich

9.2.2021, 10:26 Uhr
Nach dem Flugzeugabsturz bei Kraftshof: Einsatzleiter erinnert sich

© Archivfoto: Eduard Weigert

Als der Alarm einging, saß Michael Haas gerade bei einem Ehrungsabend. Für seinen Einsatz in Frankreich, über das Orkan Lothar hinweggezogen war, sollten auch Haas und sein Team vom Technischen Hilfswerk Baiersdorf eine Auszeichnung erhalten. Der Abend bekam allerdings eine unerwartete Wendung: Ein Flugzeug war bei Kraftshof im Nürnberger Norden abgestürzt, das THW wurde am Einsatzort gebraucht.

Zwanzig Jahre ist das her. Am 8. Februar 2001 hatte der Pilot eines Learjets, der gerade erst vom Nürnberger Flughafen in Richtung Rom abgehoben war, Luftnotlage gemeldet. Er habe Probleme mit dem linken Triebwerk und wolle wieder zurück zum Flughafen. Dorthin schaffte es die Maschine, in der neben dem Piloten noch der Co-Pilot und ein Techniker saßen, allerdings nicht mehr. Mitten im Wald stürzte der Jet ab, niemand überlebte das Unglück.

"Leider konnten wir keine Menschen mehr retten"

Als Michael Haas mit seinem Team an der Unglücksstelle ankam, lagen auf einer Fläche von etwa 50 Mal 50 Metern Flugzeugteile verstreut. Die Flughafenfeuerwehr hatte die Flammen bereits gelöscht. Das THW sollte helfen, den Unfallort auszuleuchten und für die Beweisaufnahme zu sichern. "Ich erinnere mich daran, dass alles sehr koordiniert ablief", erzählt Haas im Rückblick. Schon als der Alarmpiepser mitten im Ehrungsabend anging, sei keine Hektik ausgebrochen. "Es musste nicht schnell gehen", so Haas. "Denn leider konnten wir keine Menschen mehr retten. Es ging nur noch um die Bergung."

Das Unglück in Kraftshof war nicht Haas’ erster Flugzeugabsturz. Ein fertiges Drehbuch im Kopf, wie ein solcher Einsatz abzulaufen hat, gebe es trotzdem nicht. "Man muss immer wieder neu improvisieren. Aber zum Glück mussten wir hier nicht unter Zeitdruck die richtigen Entscheidungen treffen."

Bilder im Kopf, die nicht spurlos verschwanden

Haas war damals 38 Jahre alt, seit 1982 beim THW engagiert und seit rund vier Jahren Ortsbeauftragter. Jede Menge Routine – was nicht heißt, dass die Bilder, die sich ihm und seinen Kollegen vor Ort boten, spurlos wieder aus den Köpfen verschwanden.

Am Tag nach dem Absturz mussten die drei Leichen geborgen werden, die zum Teil im Wrack eingeklemmt und "nur noch in Fragmenten" da waren, erinnert sich Haas.

Erinnerungen kommen Jahre später immer noch hoch

Dass vor- und hinterher solche Einsätze besprochen werden, dass Kollegen darüber reden und sich Hilfe holen können, sei vor 20 Jahren noch nicht so verpflichtend gewesen wie heute. "Ein Kollege hat später erzählt, dass bei ihm selbst Jahre später immer dann, wenn er am Nürnberger Flughafen Kerosin riecht, die Erinnerungen an diesen Einsatz hochkommen."

Er selbst könne gut abschalten. So traurig das Unglück damals war: In der Rückschau fallen Haas Einsätze ein, die viel tiefer sitzen. Nach dem Völkermord in Ruanda hat er beim Aufbau der Trinkwasserversorgung geholfen und in Rumänien ein Kinderheim mitsaniert. "Das Elend dort war, verglichen mit dem Flugzeugabsturz, tausendfach."

Drei Tage lang im Einsatz

Drei Tage lang war das THW Baiersdorf in Kraftshof im Einsatz, hat zusammen mit der Bundesanstalt für Flugunfalluntersuchung, Experten des Flugzeugherstellers aus den USA, der Staatsanwaltschaft, Kollegen der Feuerwehr, dem THW Neustadt/-
Aisch und der (Kriminal-) Polizei die Wrackteile zerlegt und in einen Hangar am Nürnberger Flughafen gebracht, den Transport der kaputten Triebwerke nach Frankfurt mit vorbereitet, für die Verpflegung aller Einsatzkräfte gesorgt. Eine Arbeitsgruppe fand später heraus, dass technische Probleme und Fehler des Piloten für den Absturz verantwortlich waren.

Haas, der den Leitungsposten beim THW Baiersdorf vor zweieinhalb Jahren in jüngere Hände übergeben hat, musste kurz nach diesem Absturz übrigens zu zwei weiteren Flugzeugunglücken ausrücken, die binnen weniger Monate passierten.

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