Bis zu fünf Monate Wartezeit

Nachfrage in der Kinderpsychiatrie in Erlangen hat stark zugenommen

12.7.2021, 14:20 Uhr
Prof. Gunther Moll

© Harald Sippel, NN Prof. Gunther Moll

Herr Prof. Moll, hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen zugenommen, die sich seit Beginn der Pandemie hilfesuchend bei Ihnen melden?

Sie hat deutlich zugenommen. Wir haben in Erlangen 72 stationäre Plätze, davon sind 34 Betten und 38 Tagesklinikplätze. Unsere Warteliste ist genauso lang. Allerdings hatten wir vor Corona eine Wartezeit von ein bis drei Monaten, jetzt sind es drei bis fünf Monate.

Ist denn der Zusammenhang mit Corona klar ersichtlich?

Ja. Bei Kindern, die schon davor psychische Auffälligkeiten hatten, haben sich diese verstärkt. Wenn zuvor eine ambulante Behandlung ausgereicht hat, ist jetzt in vielen Fällen eine stationäre Behandlung notwendig. Darüber hinaus sind aber auch viele echte Neuerkrankungen aufgetreten.

Welche Erkrankungen sind das?

Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen, vor allem bei Mädchen auch Essstörungen. Starker Medienkonsum.

Medienkonsum? Das ist doch keine Krankheit.

Doch, wenn der Medienkonsum den Alltag bestimmt und eine Abhängigkeit auftritt, dann schon. Zwei Beispiele: Händchen halten und küssen. Oder: Fußball spielen. Das müssen Kinder und Jugendliche im echten Leben lernen. Dafür müssen sie weg von den Medien.

Aber wenigstens ist in diesem Schuljahr der Notendruck weg. Das entlastet doch die Kinder, oder?

Dafür haben wir aber viele Kinder, die große Sorge haben, dass sie in der Schule nicht mehr mitkommen. Die Angst zu scheitern wird immer größer - bei den Kindern, bei den Familien.

Sie können Kinder nicht aufnehmen, die dringenden Bedarf haben. Ist es nicht denkbar, Ihre Abteilung zu vergrößern?

Genau das ist es, was mich umtreibt. Wir haben vor vier Jahren einen Stationsneubau bekommen. Doch der zweite Stock steht leer. Er befindet sich noch im Rohbau. 16 Betten sind dafür schon genehmigt. Das Uniklinikum würde den Innenausbau gern vorantreiben, verfügt aber nicht über die finanziellen Mittel. Jetzt hoffe ich auf Mittel vom Freistaat im Rahmen von Coronapandemie-Gesundheitsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche.

Ihr FAU-Kollege Prof. Peter Dabrock, ehemaliger Vorsitzender des deutschen Ethik-Rats, fordert einen Kinder-Gipfel der bundesdeutschen Politiker noch in diesem Sommer. Was würden Sie dort einfordern?

Dass wir einen politischen und gesellschaftlichen 180 Grad-Richtungswechsel brauchen. Das Klima wird immer wärmer, unsere Herzen werden immer kälter. Wir müssen die Kinder Liebe erfahren lassen und selbst miteinander in Liebe leben.

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