1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Neue Broschüre erzählt vom Leben und Sterben in Baiersdorf

16.9.2021, 11:26 Uhr
Eine neue Broschüre über den jüdischen Friedhof in Baiersdorf widmet sich unter anderem dessen Lage innerhalb der Stadtmauern oder der außergewöhnlichen Ausrichtung der Gräber.

© Dieter Köchel, NN Eine neue Broschüre über den jüdischen Friedhof in Baiersdorf widmet sich unter anderem dessen Lage innerhalb der Stadtmauern oder der außergewöhnlichen Ausrichtung der Gräber.

Der Inhalt basiert einerseits auf der wissenschaftlichen Gesamtaufnahme und Dokumentation des „guten Ortes“, zum andern auf einem Projektseminar des Lehrstuhls für Judaistik an der Universität Bamberg.

Ein Abriss der Geschichte jüdischen Lebens in der Kommune, das belegt im 14. Jahrhundert begann, leitet die Broschüre ein. Der Aufschwung und die Hochzeit des Judentums in Baiersdorf sind eng verbunden mit dem Markgrafen Christian Ernst und seinem in Baiersdorf ansässigen Hoffaktor (Finanzminister) Samson Salomon um 1700. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die jüdische Gemeinde hier ihre Blütezeit: 440 Menschen jüdischen Glaubens lebten 1837 in der Stadt. Das machte mehr als ein Viertel der Bevölkerung aus. Bedeutende Rabbiner, aber auch Bankiers, Politiker, Bergsteiger, Maler hatten ihren Ursprung hier. Wie überall in Nazi-Deutschland fand jüdisches Leben in Baiersdorf sein abruptes Ende mit der Pogromnacht im November 1938.

Am Beispiel des Grabsteins von Eva Dispeck wird gezeigt, wie bildhaft und reichhaltig die Eulogien (Lobreden) in den Grabinschriften sein können.

Am Beispiel des Grabsteins von Eva Dispeck wird gezeigt, wie bildhaft und reichhaltig die Eulogien (Lobreden) in den Grabinschriften sein können. © Dieter Köchel, NN

In gebotener Knappheit, aber dennoch anschaulich widmet sich die Broschüre den Besonderheiten des jüdischen Friedhofs wie etwa der Lage innerhalb der Stadtmauern oder der außergewöhnlichen Ausrichtung der Gräber nach Westen, ebenso der reichhaltigen Gestaltung der Grabsteine auf dem Friedhof.

Ein weiteres Kapitel schildert die jüdische Bestattung und ihre Riten. Die ehrenamtlich wahrgenommene „Chewra Kadischa“ bedeutet, dass bei sterbenden Frauen eine Gruppe von Frauen, bei sterbenden Männern eine Gruppe von Männern die Kranken besucht, die Sterbenden betreut, die Totenwache hält, die oder den Toten wäscht und einkleidet sowie das Begräbnis durchführt. Auch die Trauerzeit und die Totengedenktage sind beschrieben.

Texte, Symbole und Ornamente auf den Grabsteinen

Ein besonderes Augenmerk gilt den Grabsteinen und den Inschriften darauf, deren Aufbau sind häufig ähnelt. Eingeleitet wird die Inschrift häufig mit der Formel „Hier ruht/ist verborgen“. Am Ende findet sich fast immer der Satz „Seine/ihre Seele sei ein gebunden in das Bündel des Lebens“. Weitere Texte, aber auch Symbole und Ornamente geben vielfach Aufschluss über die Funktion des Verstorbenen in der jüdischen Gemeinde und sein Ansehen.

Mit einer Auswahl von Grabsteinen gelingt es den Machern der Broschüre, die Besonderheiten des Baiersdorfer jüdischen Friedhofs sichtbar zu machen. Am Beispiel des Grabsteins von Eva Dispeck wird gezeigt, wie bildhaft und reichhaltig die Eulogien (Lobreden) in den Grabinschriften sein können.

Unterstützung u.a. vom Bezirk Mittelfranken und dem Landkreis ERH

Die Broschüre ist für jeden interessant, der sich einen Einblick in jüdisches Leben und Sterben in Baiersdorf verschaffen will. Wer mehr Wissen braucht, für den gibt es Hinweise auf weiterführende Literatur.

Die Realisation hat die Stadt Geld gekostet, daran haben sich aber auch der Bezirk Mittelfranken, der Landkreis Erlangen-Höchstadt sowie die Stadt Forchheim mit Fördermitteln beteiligt. Die Broschüre ist im Rathaus in Baiersdorf erhältlich.

Die Ursprünge des jüdischen Friedhofs gehen vermutlich bis ins 14. Jahrhundert zurück.

Die Ursprünge des jüdischen Friedhofs gehen vermutlich bis ins 14. Jahrhundert zurück. © Dieter Köchel, NN

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