Neuer Notfallseelsorger für ERH

13.10.2020, 10:27 Uhr
Neuer Notfallseelsorger für ERH

© Hans von Draminski

Es stürmt in Kalchreuth an diesem kühlen Oktoberabend. Pfarrer Christoph Thiele bittet zum Gespräch dennoch in das Zelt im Pfarrgarten, das im Sommer gute Dienste für Gottesdienste und ähnliche Veranstaltungen leistete: In Corona-Zeiten stehen Desinfektionsschutz und Vorsicht an erster Stelle.
Maske tragen ist da schon ein schwieriger umzusetzendes Gebot. Zumal dann, wenn der Notfallseelsorger Thiele gefragt ist. Denn wenn er trauernde, unter Schock stehende, traumatisierte Menschen betreuen muss, dann ist es hilfreich, wenn diese seine Mimik sehen.
Thiele, in Essen geboren, mit schlesischen und sudetendeutschen Wurzeln, ist seit seinem Studium Wahl-Mittelfranke. „Ordentlicher Pfarrer“ wurde er 1991, von Mecklenburg kam er nach Baiersdorf, war auch Geistlicher in Ottensoos – und wirkte neun Jahre lang als Militärpfarrer für den Bundeswehr-Standort Roth.

Team aufgebaut

Seit gut 20 Jahren setzt sich Christoph Thiele mit dem Thema „Notfallseelsorge“ auseinander und baute – auch auf Betreiben des Rother Landrats Herbert Eckstein – für das Dekanat Schwabach ein entsprechendes Team auf. 
An die Zusammenarbeit mit dem südmittelfränkischen Dekan Klaus Stiegler erinnert er sich in positiver Weise, weil der mithalf, eine ökumenische, nicht an Konfessionen gebundene Notfallseelsorge zu installieren.

"Innerhäusliche Einsätze"

Was tut ein Notfallseelsorger? „Er lässt sich in einen Einsatz rufen, an dem auch die Rettungsdienste beteiligt sind“, erklärt Christoph Thiele. Das kann der spektakuläre Massenunfall auf der Autobahn mit Todesopfern sein – viel häufiger aber sind "innerhäusliche Einsätze", bei denen es darum geht, Angehörige oder Freunde von gerade Verstorbenen oder Sterbenden zu betreuen: "In den meisten Fällen geht es auch um den Tod", sagt Christoph Thiele lapidar. Dabei geht es laut Thiele "nur selten darum, etwas Passendes zu sagen". Viel wichtiger sei die Präsenz des Geistlichen und darum, "zuzuhören, zuzuhören, zuzuhören“" Manche seien „so destabilisiert, dass man sie nicht alleine lassen kann“. Den Geistlichen komme dabei entgegen, dass man ihrem Berufsstand „ein gewisses Grundvertrauen“ entgegen bringe. Dennoch stoßen die Mittel der Notfallseelsorger bisweilen an Grenzen: „Wenn es um Kinder geht, ist es richtig hart“, erklärt Thiele.

Weiterbildungen mit Psychologen

Deshalb gibt es für Notfallseelsorger auch Weiterbildungen unter anderem mit Psychologen. Dabei geht es um die Bewältigung von Traumata auch bei den Helfern. Und weil auch die Mitarbeitenden der Rettungskräfte emotional gefordert sind, stand Christoph Thiele schon mehr als einmal vor der Aufgabe, auch den Einsatzkräften Stütze und emotionale Hilfe zu sein.

Organische Entwicklung

"Dass Kirche in Notfällen präsent ist, gab es seit ihrem Anbeginn", weiß Thiele. Der Notfallseelsorge-Zweig hat sich Ende der 1970er Jahre entwickelt, er wuchs über die Jahrzehnte organisch, entwickelte sich aber nicht überall gleich. So überwiegt beispielsweise im Landkreis Neumarkt die Zahl der Ehrenamtlichen, während in Erlangen-Höchstadt, wo die Kreisgrenzen fast identisch mit den Grenzen des Dekanats Erlangen sind und die Notfallseelsorge seit 25 Jahren besteht, eine Reihe kirchlicher Hauptamtlicher auch für die Notfallseelsorge zuständig ist.
Die hat 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche Rufbereitschaft und besteht derzeit aus rund 15 Leuten, nachdem kürzlich der schon über 80-jährige Ruhestandspfarrer Friedrich Rauhut aus gesundheitlichen Gründen den Notfallseelsorger-Dienst quittierte. Und zusammen mit dem auch in Rente gehenden Pfarrer Bässler, der über Jahre Dekanatsbeauftragter, Organisator und Koordinator des Notfall-Teams war, bei einem „Blaulichtgottesdienst“ verabschiedet wurde. Die Lücken, die sich dadurch auftun, sind spürbar, zumal die normale kirchliche Arbeit ja auch weiterläuft.

"Erste Hilfe für die Seele"

„Inzwischen gibt es sogar drei hauptamtliche Notfallseelsorger – für ganz Bayern“, erzählt Christoph Thiele. Das Bestreben, die Rettungskräfte zu entlasten, eint die Teams: „Notfallseelsorge ist so etwas wie Erste Hilfe für die Seele“, sagt der Geistliche und lässt keinen Zweifel am Stellenwert dieser Arbeit.