"Nur ein paar wenige Flüchtlinge hatten die Krätze"

16.9.2014, 06:00 Uhr

© Edgar Pfrogner

Erlangen ist nicht Zirndorf — und umgekehrt. „Natürlich ist es etwas anderes, ob sich 300 Menschen in einer Einrichtung aufhalten oder weit über 1000“, sagt die Ärztin Anke Lemmer — und versucht damit die gravierenden Unterschiede in der medizinischen Versorgung auf sympathisch-bescheidene Weise zu erklären.

Die Zahlen sind das Eine. Das Andere — fast noch Wichtigere — aber sind mögliche Krisenpläne — und hier haben Stadt, Rettungsdienste und freiwillige Helfer die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZAE) in Zirndorf weit übertroffen. Dort fehlt es noch immer an einer ausreichenden medizinischen Grundversorgung.

„Wir halten in der Notunterkunft am Westbad von Beginn an Sprechstunden ab“, berichtet Lemmer, „um genau so etwas zu verhindern.“ In einem engen Dienstplan wechseln sich Hausärzte und Sanitäter in einer Rundum-Versorgung ab. Auch die Erlanger Allgemeinärztin beteiligt sich seit Anfang vergangener Woche an den überwiegend ehrenamtlichen Einsätzen. Zudem stehen ausreichend Fachärzte aus den unterschiedlichsten Disziplinen im Notfall bereit.

Wie sehr sich ein derart engmaschiges medizinisches Netz und schnelle Laboruntersuchungen auszahlen, sieht man im Vergleich mit anderen Flüchtlingsunterkünften: Während unter Asylsuchenden in München bereits Masern grassierten und in Zirndorf Influenza und Typhus auftraten, gibt es in der Zeltstadt noch keine besorgniserregenden Zwischenfälle. Lediglich bei sieben Flüchtlingen habe man bisher die Hautkrankheit Krätze festgestellt, berichtet Gesundheitsamtsleiter Peter Lederer. Die Patienten habe man behandelt und von allen anderen getrennt. Derzeit litten Patienten nur an „banalen Infekten“ wie Schnupfen und Husten.

Damit das auch möglichst lange so bleibt, kommen zur medizinischen Erstversorgung noch Präventivmaßnahmen wie Impfungen hinzu. Bereits am Donnerstag werden Kinder etwa gegen Tetanus, Keuchhusten oder Diphtherie immunisiert. Möglichst bald sollen freiwillige Grippeimpfungen für Erwachsene folgen. Auch das Hilfspersonal selbst, betont Lederer, werde geimpft. Spezielle Reinigungen sollen die Verbreitung von Krankheiten ebenfalls verhindern.

Angst vor Ebola unbegründet

Mögliche Ängste in der Bevölkerung, etwa vor Ebola, seien weiterhin unbegründet: „Menschen, die an diesem Virus leiden, schaffen es gar nicht bis nach Deutschland; sie sind so geschwächt, dass sie die Strapazen einer Flucht kaum überleben“, sagt der Behördenleiter. Am Westbad sei bisher kein einziger Flüchtling aus einem Ebola-Gebiet untergebracht.

All diese Maßnahmen stellen sicher, dass es bislang im Westbad nichts zu beanstanden gibt. Über einen großen Zeitraum aber lasse sich dieser Zustand nicht durchhalten, meint Lemmer. Das Risiko von Krankheiten nehme zu, je länger sich die Menschen in Notunterkünften — auf engsten Raum — aufhalten. Langwierige Asylverfahren oder Arbeitsverbote für Flüchtlinge würden einen schnellen Umzug aber verhindern, kritisiert die 53-Jährige. „Die Politik hat in München und Berlin lange nichts geregelt — und das rächt sich jetzt gewaltig.“

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