"Offene Tür" in Erlangen macht als Adventskalender Mut

5.12.2020, 06:00 Uhr

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Wie schaut mein Lebensweg aus? Das weiß keiner so genau zu sagen, der Blick nach vorne reicht nicht weiter als bis zum Horizont, der Blick zurück löst oftmals Kopfschütteln aus, und die Meile, die man momentan zurücklegt, erweist sich als Holperstrecke. Den Straßenatlas kennt allein der liebe Gott. Und das ist wohl auch ganz gut so.

Aber hin und wieder gibt es Wegmarken. Etwa diese: Ein Autobahnschild kündigt in weißer Schrift auf blauem Grund eine Ausfahrt an. Geradeaus geht es nach "Mach’s wie immer", rechts ab führt die Strecke nach "Mach’s mal anders."

Schild nicht an der Autobahn

Natürlich steht dieses Schild nicht an einer Autobahn, sondern als Zeichnung im Fenster der "Offenen Tür" am Katholischen Kirchenplatz. Weil die vier Fenster entlang der Straße durch Fenstersprossen in je sechs Felder gegliedert sind, ergibt sich eine Summe von 24 Fensterchen. Voila, ein Adventskalender!

Während in der Innenstadt diverse von Künstlerhand umdekorierte Schaufenster leerstehender Geschäft die ästhetische Aufmerksamkeit auf sich ziehen, will die "Offene Tür" den Passanten Mut und Zuspruch signalisieren. Und die Botschaft "Wir sind da, wir sind offen".

Jedes Fensterchen ist mit einem violetten Karton und dem entsprechendem Datum abgedeckt. Natürlich sind die Tage willkürlich verteilt, wie sich das gehört.

An jedem neuen Tag gibt es eine Überraschung: ein schönes Bild, ein provozierender Cartoon, ein anregendes Gedicht, eine persönliche Frage.

Denn die Fachkräfte und Ehrenamtlichen der "Offenen Tür", die für den Kummer und die seelischen Nöte von Jedermann ein offenes Ohr haben, hören nicht nur zu, sondern stellen auch konstruktive Fragen. "Ich begreife die Botschaften unseres Adventskalenders als Nahrung zum Mitnehmen, als Fragen oder Appelle, um die Menschen für einen Moment aus ihrem Alltag herauszureißen", erläutert die Sozialpädagogin Stephanie Dietze.

Geht religiöses Wissen verloren?

Einen weiteren Beweggrund nennt die Pastoralreferentin und co-geschäftsführende Leiterin Monika Tremel: "Wir wollen den religiösen Inhalt von Advent und Weihnachten übersetzen, denn das religiöse Wissen scheint verloren zu gehen."

Unabhängig vom Moment des Zufalls, des emotionalen Appells im Vorbeigehen, signalisiert die Einrichtung, dass sie trotz Corona offen steht. Wenn auch mit leichten Einschränkungen: "Einfach so hineingehen und gleich einen Zuhörer finden, das geht nicht mehr so wie früher", bedauert Pastoralreferent Michael Kutsch-Meyer. Dennoch: wer aus persönlicher Not die Offene Tür aufsucht, wird nicht abgewiesen.

"Einsamkeit und Trauer sind die großen Belastungen zurzeit", benennt Stephanie Dietze die Themen. "Und dann kommen – bedingt durch die Nähe zu den Kliniken – viele Menschen, die gerade ihre kranken Angehörigen besucht haben", ergänzt Michael Kutsch-Meyer.

Im nächsten Herbst bietet die "Offene Tür" eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Mitarbeiter an. Was braucht man dafür? "Offenheit, Einfühlungsvermögen und Interesse an Menschen", nennt Stephanie Dietze. "Den Rest vermitteln wir."

Offene Tür, Katholischer Kirchenplatz 2. Täglich außer Feiertags bis 23. Dezember von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Vom 27. Dezember bis 8. Januar von 14 bis 18 Uhr.

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