Olympischer Zwilling

21.2.2009, 00:00 Uhr
Olympischer Zwilling

© H. Hofmann

Noch heute schauen die Menschen auf, wenn Bengt mit seinen 2,04 m Körpergröße den Raum betritt. Der Vater von vier Kindern hat einen engen Terminkalender, besonders nach dem Tod seiner Frau vor zweieinhalb Jahren. Er lebt in Herzogenaurach und arbeitet in Nürnberg, und so treffen wir uns im Erlanger Teehaus.

Schon in frühester Jugend haben die Zwillinge Bengt und Björn zum Schwimmen gefunden. Nach einer schöpferischen Pause (oder auch Nullbock) schickte sie ihr Hausarzt mangels guter Körperhaltung wieder ins Wasser. Zu der Zeit hatten sich die drei Erlanger Schwimmvereine zur SSG 81 zusammengeschlossen

Das Schwimmtraining war im Umbruch - muskelbepackte Spitzensportler waren noch eine Ausnahme - und der Verein schaffte mit viel Enthusiasmus und städtischer Unterstützung einen eigenen Kraftraum.

«Unsere Trainer Heinz Zeitler und Klaus Rosenkranz haben einen hohen Anteil an unseren Erfolgen», unterstreicht Bengt Zikarsky die richtigen Trainingsvoraussetzungen. Er lobt im gleichen Atemzug die hervorragende Arbeit von Roland Böller, dem ehemaligen Trainingspartner, die letztlich zum Leistungsstützpunkt Erlangen und der Vielzahl größter Erfolge für den Erlanger Sport geführt hat.

Bei den Erlanger Kultur- und Sporttagen in Wladimir 1986 sorgten sie für die einzigen sportlichen Erfolge. 1987 schafften die Brüder den Sprung in die Nationalmannschaft und 1988 kraulte sich Björn nach Seoul. Für Bengt folgte ein einjähriger Trainingsaufenthalt in den Staaten, und 1989 wurden Bengt und Björn bei der Europameisterschaft in Bonn mit der 4 x 100m-Freistilstaffel Europameister.

Abbruch der Traglufthalle

Wie eine Keule traf dann der Abbruch der Traglufthalle im Röthelheimbad die Spitzensportler. Die Entscheidung, aus Sicherheitsgründen notwendig, stieß bei den Aktiven auf Unverständnis. Erst im Nachhinein kann Bengt das Ganze differenzierter sehen.

Sein Bruder Björn wechselte nach Hamburg. Bengt hatte gerade sein Studium der Zahnmedizin in Erlangen begonnen und pendelte per Zug oder Auto zwischen Erlangen und Würzburg hin und her. Der SV 05 Würzburg - mehr vom Wasserball her bekannt - mit über 6000 Mitgliedern und eigenem Schwimmbad hatte als Mäzen einen Bauunternehmer, so dass der «Heim»-Trainer Klaus Rosenkranz seinem Schützling nachfolgen konnte.

«Diese Herausforderung war für mich gleichzeitig auch Motivation», bekennt der doppelt promovierte Arzt in seiner Nachbetrachtung. Sportliche Erfolge boten während des zehnjährigen Studiums (sechs Jahre Zahnmedizin, vier Jahre in Erfurt Humanmedizin) immer auch einen gewissen Ausgleich. Das gleiche galt im Umkehrschluss auch in Sachen Studium.

Europa- und Vizeweltmeister

So blieben die sportlichen Erfolge nicht aus: 1991 die Europameisterschaft über 4 x 50m Freistil in Gelsenkirchen und über 4 x 100m Freistil die Vizeweltmeisterschaft in Perth.

Es folgte die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Barcelona - und die Bronzemedaille für die Staffel, wobei Bengt nur in den Vorläufen eingesetzt wurde. Als Aktivensprecher trug er die vorher vereinbarte Entscheidung, für die Staffel zwei Schwimmer zu setzen und die weitere Staffelbesetzung nach dem «Einschwimmen» zu nominieren mit. Da seine Vorlaufzeiten besser waren, wollte der Trainer kurzfristig die vereinbarte Nominierung abändern, als Aktivensprecher sah Bengt dazu keinen Spielraum. Die ebenfalls überreichte Medaille machte Bengt nicht so richtig glücklich.

Atlanta war die Krönung

Ganz anders dann die Olympischen Spiele in Atlanta. Bengt und Björn hatten sich qualifiziert, beide schwammen im Finale mit und scheiterten ganz knapp an der russischen Staffel im Wettstreit um die Silbermedaille (Gold ging an die USA). Es waren die einzigen Olympischen Spiele, an denen beide Zikarskys zusammen teilnahmen.

Bis es so weit war, gab es einige Aufregung. Bengt hatte sich zwar klar für Atlanta qualifiziert, im Jahr 1995 aber aus Studiengründen keine Meisterschaften bestritten. Die notwendigen Dopingkontrollen für diesen Zeitraum konnte er nicht erbringen; letztlich setzte sich aber der Leistungsgedanke durch.

Schwimmsport lässt nicht los

Dabei gab es heftige Auseinandersetzungen, die schließlich zum Ausschluss von Bengt aus der Nationalmannschaft führte. «Wir waren vom Elternhaus her stets eine offene Aussprache gewohnt», erläutert der ehemalige Aktivensprecher, der trotzdem auf weitere Verfahren verzichtete. Das Studium hatte Vorrang und Bengt beendete 1997 mit dem Weltmeistertitel bei der Militärweltmeisterschaft in Chile seine erfolgreiche Karriere.

Den Jungvierziger lässt auch heute der Schwimmsport nicht los. Wenn es um Olympische Spiele geht, steht er trotz Doppelbelastung als Chef einer Facharztpraxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und als alleinerziehender Vater von vier Kindern auch mitten in der Nacht auf, um aktuell mitzuerleben, wie sich der deutsche Schwimmsport «schlägt».

Sein Bruder Björn lebt mittlerweile in Australien, in Sydney. Bengt verbringt den größten Teil seiner Freizeit mit seinen Kindern, wobei radeln ganz oben angesiedelt ist. Nach Erlangen umzusiedeln kann er sich durchaus vorstellen. Einen Trainer oder Funktionär Bengt Zikarsky wird es schon aus Zeitgründen kurzfristig nicht geben.