Organtransplantation

Organspende: Solidaritätsschub durch Pandemie

4.6.2021, 10:04 Uhr
Prof. Dr. Michael Weyand

© NN Prof. Dr. Michael Weyand

Herr Prof. Weyand, im Nachbarland Österreich werden nach dem Tod eines Menschen Organe entnommen, außer es wird Widerspruch dagegen eingelegt. In Deutschland muss man sich hingegen im Vorfeld aktiv für eine Organspende aussprechen. Das hat zur Folge, so jedenfalls die Kritiker dieser Lösung, dass dadurch weniger Organe als benötigt zur Verfügung stehen. Wie ist Ihre Meinung zur sogenannten Widerspruchslösung á la Österreich?

Ich habe schon mehrfach deutlich gemacht, dass ich mir – wie alle Transplantationsmediziner – eine Widerspruchslösung wünschen würde – anstelle der erweiterten Zustimmungslösung, die wir aktuell in der Bundesrepublik haben. Die Widerspruchslösung ist verbunden mit der Hoffnung, dass die Organspendezahlen dadurch steigen, und sie erleichtert die Organspende generell. Denn: Mit der grundsätzlichen Möglichkeit, Organe entnehmen zu dürfen, kann ein Gespräch mit Angehörigen ganz anders geführt werden, als wenn immer zuerst die Zustimmung abgefragt werden muss. In Anbetracht des noch fehlenden Transplantationsregisters sollte in der Öffentlichkeit noch einmal die Bedeutung des Spenderausweises deutlich gemacht werden. Er bietet durch einfaches Ankreuzen die Möglichkeit der Zustimmung zur Spende generell oder zur Entnahme einzelner Organe, aber eben auch die Möglichkeit der Ablehnung und erleichtert einem dadurch gegebenenfalls die Situation.

Welchen Einfluss hat die Pandemie auf Ihre bzw. die Arbeit des Transplantationszentrums gehabt?

Ich glaube, die Pandemie hat einen Solidaritätsschub gebracht und zu mehr Hilfsbereitschaft geführt. Dies könnte erklären, dass alle Organspendezahlen – bis auf die Lunge – 2020 annähernd konstant geblieben sind. Bei den Spenderherzen gab es 2020 sogar einen leichten Anstieg. An unserem Transplantationszentrum war es aber erheblich schwieriger, das soziale Umfeld der Patienten auf der Warteliste mit einzubinden, weil Angehörige oft nicht mitkommen durften. Ich glaube, dass auch einige Betroffene ihre Termine in der Ambulanz oder ihre Nachuntersuchungen aus Angst vor Corona nicht wahrgenommen haben. Manche Herzkranke kommen erst dann, wenn es schon zu spät ist und sie die Zeit bis zu einer Transplantation nicht mehr überleben.

Wohin können sich Menschen wenden, um sich als Organspender registrieren zu lassen?

Das geplante Online-Register, in dem jeder seine Haltung zur Organspende dokumentieren kann, wurde bislang leider nicht eingerichtet und es ist momentan auch unklar, wann es an den Start geht. Es bleibt also bisher nur die Möglichkeit, sich an Selbsthilfeorganisationen, Krankenkassen, Transplantationszentren oder die Gesundheitsbehörden der Länder und des Bundes zu wenden und dort einen Organspendeausweis anzufordern. Auf dem kann jeder seinen Wunsch festhalten – ob ja oder nein.

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