Raumnot verhindert Modernisierung in Erlangen

21.4.2014, 17:27 Uhr
Raumnot verhindert  Modernisierung in Erlangen

© Millian

Zu solch launigen Vergleichen ist Thomas Engelhardt, der Leiter des Erlanger Stadtmuseums, derzeit allerdings nicht aufgelegt. Zu wenig als „verkannter Riese“ erscheint ihm sein Stadtmuseum – auch wenn er dessen Bedeutung nicht herunterspielen (oder heruntergespielt sehen) möchte. Denn das Haus im Herzen der Altstadt, untergebracht im sehenswerten Barockgebäude des ehemaligen Altstädter Rathauses, verfügt in seinem vom Martin-Luther-Platz bis zum Altstädter Kirchenplatz reichenden Komplex über rund 1000 qm Ausstellungsfläche, nennt einen ebenso schmucken wie gut „bespielbaren“ Innenhof sein eigen und ist mit Brunnensaal und Eingangsfoyer Schauplatz auch zahlreicher gesellschaftlicher Ereignisse.

Breites Themenspektrum

Dabei ist das Stadtmuseum aber nicht nur das Zentrum einer durchaus dynamischen und aktiven Sicht auf Zustand und Entwicklung der Altstadt – die Reihe „Altstadtdialoge“ und der jährliche Neujahrsempfang zeugen davon –, das Stadtmuseum ist auch das, was es heißt: Museum. Seine Schausammlung bietet einen ziemlich vollständigen Rundgang durch die Stadtgeschichte, von Besuchern wie von anderen Museen als hochwertig werden aber auch die Sonderausstellungen im Themenspektrum Stadt-, Kultur-, Zeit- und Wissenschaftsgeschichte und Bildende Kunst gesehen.

Dabei haben das Stadtmuseum und seine Historiker(innen) schon früh Duftmarken gesetzt, die manchem Zeitgenossen damals noch „gestunken“ haben mögen: „Erlangen im Nationalsozialismus“ und „Juden und Judenpogrom 1938 in Erlangen“ waren zwei Ausstellungen bereits 1983 und 1988, die erstmals schonungslos mit der braunen Geschichte Erlangens umgingen.

Aber auch mit Ausstellungen zu alltagssoziologischen Phänomenen und historischen Besonderheiten bekleckerte sich das Stadtmuseums-Team durchaus mit Ruhm: Solche Industrialisierungsgeschichte Erlangens, zu Kindheit und Jugend im Wandel der Zeit oder zur Geschichte der Freimaurerei blieben stets dem Geist jener Aufklärung verhaftet, die den Museen ihren Platz als Gedächtnisstütze und Steinbruch für neue Ideen zuweist.

Thomas Engelhardt wehrt aber alle verklärenden Hinweise auf erfolgreiche Ausstellungen ab und richtet den Blick lieber nach vorne – wohl wissend, dass im Laufe der Zeit in seinem Haus auch einiges tatsächlich „museal“ geworden ist. „Wir brauchen ein neues Nutzungskonzept, und Voraussetzung dafür ist, dass wir die städtebauliche Situation überdenken und ein neues Raumkonzept planen.“ Anders ausgedrückt: „Wir brauchen mehr Platz!“, sagt Engelhardt, und sein Blick fällt natürlich auf das sogenannte Pinoli-Haus, jenes ungenutzte Haus an der Südostecke des Museumskomplexes, das schon vor eineinhalb Jahrzehnten für Museumszwecke freigemacht wurde.

Es (und ihm) fehlt vor allem eine Ausstellung zur aktuellen Stadtgeschichte, hat sich doch die Stadt seit den 50er Jahren dynamisch verändert, hat eine eigene und in vielen Bereichen weit über die Stadtgrenzen hinausreichende Stadtgeschichte geschrieben: Man denke bloß an das vorbildhaft „grüne“ und radfahrende Erlangen, an die ungewöhnliche Expansion der Universität, an die Entstehung des Medical Valley mit seiner Mischung aus Forschung, Klinikmedizin und Medizintechnik, an die Entwicklung der „Wissensstadt“.

Zwar hat das Museum heute etwas mehr Platz als früher, „aber für ein Ausstellungskonzept, das über die Grenzen Erlangens hinaus dauerhaft attraktiv ist, reicht das eben nicht“. Ihm schwebt eine ähnlich liebevolle Zuwendung durch die Stadträte vor, wie sie das Stadtarchiv erfahren hat, das, nach der Trennung vom gemeinsamen Arbeitsplatz im heutigen Stadtmuseums-Komplex, am Museumswinkel einen sauberen Aufschwung nahm. „Diese räumlich Trennung hat sowohl dem Archiv als auch uns gut getan“, sagt Engelhardt. Für eine von ihm geplante engere Zusammenarbeit auch mit der Universität, deren ungehobene Schätze ans Licht geholt werden könnten, oder für eine Ausstellung über Muslime in Erlangen und Deutschland, wie sie ihm vorschwebt, bedarf es dringend der Zuwendung.

„Rathaus“ ist gefragt

Das Stadtarchiv als das Gedächtnis der Stadt(verwaltung), das Museum als der Ort, an dem die Stadtgeschichte dauerhaft wie schwerpunktmäßig anschaulich sowie eine Museumspädagogik, die komplexe Zusammenhänge begreifbar macht – das ist ein Konzept, das nun auch an die neue Rathausspitze herangetragen werden soll. „Das Museum“, sagt Engelhardt, „ist das Scharnier zwischen Vergangenheit und Zukunft.“ Jetzt sind also Menschen gefragt, die ein nachhaltiges Interesse an einem gut geölten Scharnier haben.P. MILLIAN

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