Sommerzeit ade? Ein Erlanger will an der Uhr drehen

3.1.2018, 14:51 Uhr
Sommerzeit ade? Ein Erlanger will an der Uhr drehen

© Foto: imago/Cinema Publishers Collection

Am Nobelpreis für Medizin kommt man nicht so leicht vorbei. Dass der Preis in diesem Jahr an drei US-Chrono- und Molekularbiologen ging, wurde jedenfalls weltweit beachtet. Ein besonderes Augenmerk darauf hatte in Erlangen der Arzt Hubertus Hilgers. Denn die Auszeichnung bestätigt, dass er mit seinem eigenen Bemühen um die Abschaffung der Uhrzeitumstellung doch nicht so falsch liegt. Obwohl er selbst daran ohnehin nie gezweifelt hat.

Jetzt also ist noch einmal verdeutlicht worden, womit sich die Wissenschaft seit längerem befasst: Pflanzen, Tiere und Menschen haben eine innere Uhr, angepasst an den Tag-Nacht-Rhythmus der Erde. Wie die Zellen von Lebewesen Zeit messen, haben die Nobelpreisträger in ihren Forschungsarbeiten genauer beleuchtet. Sie haben sich mit den molekularbiologischen Bauteilen der inneren Uhr von Lebewesen befasst und untersucht, wie diese von Genen und Proteinen kontrolliert wird.

Schlaf und Stoffwechsel

Die innere Uhr beeinflusst den Schlaf, aber auch Stoffwechsel, Körpertemperatur und Hormonlevel. Der Jetlag, der entsteht, wenn man über mehrere Zeitzonen hinweg reist, verdeutlicht, was passiert, wenn der Tag-Nacht-Rhythmus und die innere Uhr nicht mehr übereinstimmen. Auch Schichtarbeit lässt den Menschen aus dem Takt geraten. Wenn die innere Uhr nicht richtig funktioniert, kann dies krank machen.

Mit der diesjährige Verleihung des Nobelpreises — an "diejenigen (...), die der Menschheit den größten Nutzen gebracht haben", so Alfred Nobels Vorgabe — erhielt die Chronobiologie ein neues Gewicht. "Es freut mich natürlich, dass das meine Arbeit bestätigt", sagt der Mediziner Hubertus Hilgers, "weil ich vorher schon manchmal von den Kollegen als der kleine Spinner angesehen worden bin". Dass er mitunter belächelt wird, nimmt er gelassen. "Ich bin’s ja gewohnt", sagt er. Da er noch nie im Frühjahr und Herbst, so wie staatlich vorgegeben, seine Uhren umgestellt habe, sei er eben schon immer ein Außenseiter gewesen. "Aber Naturgesetze können Sie auch nicht verbiegen", schiebt er hinterher.

Hubertus Hilgers ist erklärter gegner der Sommerzeit.

Hubertus Hilgers ist erklärter gegner der Sommerzeit. © Harald Sippel

Der Arzt ist sich seit langem sicher — und fühlte sich auch bisher schon durch wissenschaftliche Studien bestätigt — , dass die Uhrzeitumstellung, wie sie in Deutschland seit 1980 praktiziert wird, krank macht. Dann nämlich, wenn jedes Jahr im Frühjahr die Uhr um eine Stunde vorgestellt wird und sich nicht mehr synchron zum Sonnenlauf befindet. Wenn also von der "Normalzeit", wie sie vom Tag-Nacht-Rhythmus unserer Erde vorgegeben wird, abgewichen wird. Denn als Normalzeit müsse man, so betont Hilgers, die "Winterzeit" eigentlich bezeichnen.

Während der Sommerzeit hingegen steht sieben Monate lang nicht mehr um zwölf Uhr mittags die Sonne an der höchsten Stelle am Zenit, sondern erst um 13 Uhr. Und Kinder, die um acht Uhr morgens in der Schule sein müssen, sitzen dann eben — nach Normalzeit — bereits um sieben Uhr im Klassenzimmer. Der gestörte Biorhythmus und chronische Schlafmangel in den Monaten der Sommerzeit bedeute Stress für den menschlichen Körper, sagt Hilgers, manchmal würden sich die Folgen auch erst im Herbst und Winter zeigen. Von "sozialem Jetlag" spricht er in diesem Zusammenhang. Und ist sich sicher, dass viel mehr Menschen als bisher angenommen — im Grunde eigentlich jeder — deswegen an gesundheitlichen Störungen leidet. "Die meisten Menschen bringen sie nur nicht mit der Zeitumstellung in Verbindung."

Verstärkter Zuspruch

Mit Abschaffung der Sommerzeit könne man immense Kosten beim Gesundheitssystem einsparen, so die logische Folgerung von Hilgers. Diese Argumentation brachte er kürzlich auch in Straßburg vor. Bei einer Pressekonferenz Ende Oktober zum Thema "Zeitumstellung" war neben anderen Vertretern von Interessensverbänden, die eine Abschaffung der Sommerzeit-Verordnung erreichen möchten, auch der Erlanger Arzt und Initiator der Onlinepetition "MOMO" eingeladen. Mit der Petition hatten sich über 55 000 Menschen beim deutschen Bundestag für eine "Beibehaltung der Normalzeit und Abschaffung der Sommer-Zeit-Verordnung" ausgesprochen.

Doch auf nationaler Ebene kann darüber nicht entschieden werden, denn die Sommerzeit ist in einer EU-Richtlinie geregelt. In Deutschland jedenfalls erhalten die Gegner der Sommer-Zeit-Verordnung verstärkt Zuspruch. Laut einer Umfrage der Krankenkasse DAK unter 3500 Bundesbürgern hielten fast drei Viertel der Befragten das Drehen an der Uhr für überflüssig. Aber es gibt auch Befürworter. Manche, so glaubt Hubertus Hilgers, assoziieren mit dem Namen "Sommerzeit" generell die warme Jahreszeit. "Aber Leute, ich will doch keine Jahreszeit abschaffen", sagt er dann. Von "Sommerzeit" zu sprechen ist in seinen Augen "der größte Marketingtrick, noch besser als der Ablasshandel der katholischen Kirche".

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