Sozialtreff in Erlangen ist Lichtblick für Bedürftige

15.12.2014, 06:00 Uhr
Sozialtreff in Erlangen ist Lichtblick für Bedürftige

© Horst Linke

"Ab und zu haben wir Angst, dass uns das Geld ausgeht", sagt Heinz Szabo. Ganz still und unaufgeregt sagt er das, hält sich im Hintergrund, während sich der große Aufenthaltsraum der Erba-Villa immer mehr mit Menschen füllt. Heinz Szabo hat es sich diesmal zur Aufgabe gemacht, mit den Kindern zu spielen - ein Tischkreiselspiel, das vollste Aufmerksamkeit erfordert.

"Du bist dran", schreit eines der Kinder. Sie lassen sich nicht beirren von dem Gewimmel um sie herum - davon, dass immer mehr Leute an der Lebensmittelausgabe anstehen, andere mit einer Kaffeetasse in der Hand herumlaufen, sich unterhalten.

Heinz Szabo ist nicht nur Mitglied des Ausländer- und Integrationsbeirats, sondern auch Gründungsmitglied und geistiger Vater des Sozialtreffs, hat ihn gemeinsam mit Stadtrat Helmut Wening (Grüne Liste) aus der Taufe gehoben. Vor fünf Jahren wurde der dazugehörige Verein gegründet, begonnen hatte die Einrichtung schon vorher. Damals hatte Heinz Szabo - auf einen EN-Artikel hin, der den katastrophalen Zustand der Verfügungswohnungen anprangerte - sich selbst ein Bild gemacht und festgestellt, dass das wohlsituierte Erlangen auch ein anderes Gesicht hat. "Ich war sehr erschrocken, dass es so viel Armut in Erlangen gibt", sagt er rückblickend.

Wohnsituation verbessert

Zumindest die Wohnsituation hat sich geändert. Die Verfügungswohnungen wurden inzwischen von der Gewobau saniert, viele Familien konnte die Stadt in regulären Wohnungen unterbringen. Doch Armut gibt es in der Stadt immer noch. Einrichtungen wie die Tafel und auch der Sozialtreff verzeichnen immer stärkeren Zulauf.

"Wir haben einen neuen Rekord", ruft Maria (Name von der Red. geändert). Die ehrenamtliche Helferin drückt den Neuankömmlingen Zettel mit fortlaufenden Nummern in die Hand und führt eine Liste darüber, wer mit wie vielen Familienmitgliedern gekommen ist. Diese Einlasskärtchen berechtigen dazu, sich bei der Lebensmittelausgabe etwas zu holen. Reis, Nudeln, H-Milch, Gemüsekonserven, Kartoffeln, Eier - alles haltbar und alles, anders als bei der Tafel, gekauft. Nur das Brot ist eine Spende von der Bäckerei Trapper.

Den 135. Zettel hat Maria nach eineinhalb Stunden ausgegeben - so viele wie noch nie. Marcus Bazant hat zwiespältige Gefühle. "Wenn wir Rekorde knacken, habe ich immer ein lachendes und ein weinendes Auge", sagt der 1. Vorsitzende des Sozialtreffs. "Denn das heißt einerseits, dass wir gut angenommen werden. Andererseits bedeutet es auch, dass wir immer mehr Spenden akquirieren müssen."

Nachschub an Lebensmitteln

An diesem letzten Sozialtreff-Samstag vor Weihnachten bedeutet es außerdem, dass er noch einmal losfahren und einen Nachschub an Lebensmitteln besorgen muss. Denn diesmal sind die Vorräte, die er gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Helfern alle zwei Monate heranschafft, tatsächlich ausgegangen.

Mindestens 250 Erlanger Bürger, davon 100 Kinder, unterstützt der Sozialtreff. Finanziert wird diese Hilfe durch Mitgliedsbeiträge, Spenden von Bürgerstiftung, Sparkasse, verschiedenen Firmen, dem Verein Charity Cats - letzterer besteht aus Puma-Mitarbeitern, die zudem tatkräftig mithelfen und dieses Mal auch Weihnachtsgeschenke verteilen. Die Stadt stellt unentgeltlich die Räume der Erba-Villa zur Verfügung, in die der Sozialtreff nach der Renovierung gezogen ist - das Grüne Haus, in dem alles seinen Anfang nahm, wäre längst zu klein.

Geblieben aber ist die Grundidee: gemeinsam etwas machen, Austausch schaffen, konkrete Hilfestellung geben - zum Beispiel bei Behördengängen. Das gemeinsame Frühstück fördert die Kontakte der Besucher untereinander. Kommen kann hier jeder – anders als bei der Tafel ohne Ausweis. "Wir haben uns bewusst dagegen entschieden, um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu machen", sagt Marcus Bazant. "Jeder, der da ist, nimmt teil." Das sei die konsequente Umsetzung der Forderung nach gesellschaftlicher Teilhabe.

Hilfe zur Selbsthilfe

Das Modell funktioniert gut. Viele Besucher helfen mittlerweile selbst mit. So wie Maria. "Nichts ist schlimmer, als wenn man sich in einer Notlage einrichtet", glaubt Marcus Bazant. Dagegen gebe es unglaublichen Auftrieb, zum Beispiel festzustellen, "hey, ich kann was, ich kann die Küche schmeißen". Das hilft manchmal auch dabei, den Kopf aus all den Problemen herauszuheben, in denen man selbst steckt.

Denn so viel steht fest: Einen ganzen Packen davon haben fast alle, die hierher kommen. Krankheit, Todesfälle, Armut, Schulden - "ich höre mir die Geschichten an", sagt Maria, die am Eingang nicht nur Zettel mit Nummern verteilt, sondern für jeden Besucher auch ein offenes Ohr hat. "Da ist viel Leid", sagt sie. Für sie ist es eine klare Sache, dass sie mitmacht, auch wenn sie ihre eigenen Probleme hat. So einfach ist das. Marcus Bazant ergänzt: "Das sind wir - wir Erlanger. Das ist das ganz Entscheidende."

Spenden ermöglichen es, die Angebote des Sozialtreffs weiterzuführen. Dafür gibt es bei der Stadt- und Kreissparkasse Erlangen ein Konto (IBAN DE82 7635 0000 0060 0338 59, BIC BYLADEM1ERH). Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Sozialtreffs.

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