Leichter Lernen

Tipps für die grauen Zellen: Gedächtnisexperte Markus Hofmann

22.7.2021, 18:25 Uhr
Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk: Und kann mehr, als man selbst manchmal glaubt. Mit den richtigen Techniken, können wir uns besser Dinge merken und diese auch wiederfinden.

© imago images/Tillmann Pressephotos, NNZ Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk: Und kann mehr, als man selbst manchmal glaubt. Mit den richtigen Techniken, können wir uns besser Dinge merken und diese auch wiederfinden.

Herr Hofmann, kürzlich haben die vierten Klassen der Carl-Platz-Schule ihr Webinar "Jedes Kind lernt gerne" besucht: Warum ist Ihnen die Vermittlung von Lern- und Gedächtnistipps an Kinder besonders wichtig?

Ja, das hat sehr viel Spaß gemacht. Wichtig ist mir das, weil das unsere Zukunft ist: Dass Kinder wieder selbstverantwortlich lernen, dass sie die Fähigkeit besitzen, sich neues Wissen anzueignen und dieses, wenn es gefordert ist, wieder abrufen können. Dass kein Lern- oder Prüfungsstress herrscht, die Hausaufgaben locker gemacht werden, dass sie mit Spaß in die Schule gehen und – wenn sie dann mal fertig sind mit der Schule – immer noch Bock haben, etwas Neues zu lernen.

Sie versprechen "Spaß am Lernen" – wie geht das?

Ich verspreche es nicht nur, ich zeige es Ihnen auch. Selbstwirksamkeit ist hier der Schlüssel: Dass die Kinder selbst am eigenen Leib erleben, dass sie ein gutes Gedächtnis haben und merken, ich darf dabei auch die ganze Zeit lachen. Wenn Sie Wissen gehirngerecht aufbereiten, ist das nämlich meistens extrem witzig und man merkt nicht, dass man lernt.

Tipps für die grauen Zellen: Gedächtnisexperte Markus Hofmann

© Timor Bozi

Wie gelingt das auf witzige Art und Weise?

Da gibt es spezielle Techniken. Diese sind so ausgelegt, dass sehr viel mit Fantasie und Kreativität gearbeitet wird. Ich generiere Bilder in meinem Kopf, die merkwürdig, übertrieben, grotesk, witzig, schmerzhaft, erotisch sind. Und je witziger und verrückter die sind, desto nachhaltiger ist es für das Gehirn. Ein Beispiel ist die Körperliste: Dabei lege ich Wissen in "mentalen Briefkästen" an verschiedenen Stellen an meinem Körper ab und verknüpfe die auf witzige, übertriebene Art und Weise miteinander.

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Wenn ich mir zum Beispiel die Landeshauptstädte merken muss, fange ich mit München an und verknüpfe sie mit meinen Zehen. Ich stelle mir vor, ich spiele gegen den FC Bayern München Fußball – mit meinen Füßen, ich knie mich auf einen Stuhl für Stuttgart, auf meinem Oberschenkel ist eine Brücke nach Saarbrücken, die Mainzelmännchen für Mainz verstecken sich in meinem Po und meinen Bauch male ich ganz grün an, wie eine grüne Wiese – für Wiesbaden. Und wenn ich das einmal erfahren habe und "richtig denke", dann ist es gut abgelegt und der Spaß kommt dabei automatisch.

Welche Lernprobleme kommen bei Kindern besonders häufig vor?

Meistens ist es die Konzentration. Dass sich die Kinder nicht darauf konzentrieren können, was als nächstes kommt oder es ihnen schwer fällt, an einem Thema dranzubleiben. Hier greift meine Lerncoach-Ausbildung, die noch vor den Lerntechniken ansetzt und man ihnen Motivation und Ziele vermittelt – so dass sie selbst "aus dem Quark" kommen. Die Lerntechniken sind ein Schlüsselbereich neben Lernmotivation, Arbeitsorganisation – wann, wie und wo lerne ich – und den Lernbesonderheiten, also Legasthenie, Dyskalkulie, ADS, ADHS oder Hochbegabung. Und das darf und muss alles beachtet werden. Wichtig ist, den Kindern zu zeigen: Du kannst es!

Welche Tipps haben Sie für Eltern und Kinder? Was wird in Sachen Lernen am häufigsten falsch gemacht?

Eltern sind häufig zu schnell genervt und lassen sich nicht auf das Kind ein. Da hört man häufig "Du musst jetzt Hausaufgaben machen", "Du musst jetzt lernen". Da verbinden die Kinder immer was Negatives mit dem Thema. Sie sollten zum Beispiel auch nicht erst dann mit dem Lernen aufhören, wenn das Kind müde ist. Sondern bereits bevor es müde wird, in einem positiven Moment. Und das darf am Anfang auch schon einmal nach fünf Minuten der Fall sein. Im Kopf des Kindes muss verankert werden, dass Lernen nicht ermüdend ist. Sie dürfen den Fokus und das Lernen erst wieder fördern.

Wie helfe ich meinem Kind, wenn es ständig Dinge vergisst und verliert?

Das Kind braucht eine Struktur im Kopf. Und da bedarf es einfach, dass es – zum Beispiel, bevor es das Haus verlässt – einen Prozess durchläuft. Dazu kann ich zum Beispiel die Körperliste nutzen und mit drei To-Dos verbinden, die es vorher checkt: Hast du dein Pausenbrot eingepackt, den Schulranzen mitgenommen und Wechselklamotten eingepackt? Und dann ist es wichtig, dass dieser Prozess internalisiert wird: Dass das Kind gar nicht anders kann, als vor dem Rausgehen diese drei Punkte durchzugehen. Dabei helfen diese Techniken massiv.

Widersprechen Sie Menschen, die sagen: Das werde ich mir nie merken können?

Letztendlich können Sie sich alles merken – Sie finden es nur in diesem Moment nicht. Und die Frage ist daher bloß, wie Sie es gehirngerecht ablegen. Von den Lerntechniken kann jeder profitieren, ob Kind oder Erwachsener – man muss sich aber natürlich darauf einlassen.

Was meinen Sie: Können wir uns heute allgemein weniger gut Dinge merken im Vergleich zu früher? Welche Rolle spielen das Smartphone & Co.?

Wenn ich mir kein Gedicht mehr merken muss, dann ist es schwierig, irgendwann später auch mal andere Texte abzuspeichern. Wenn ich mir alles im Handy oder Tablet abspeichere, dann verlerne ich das Lernen. Wenn ich kein Wissen mehr im Kopf haben, dann kann ich auch kein Transferwissen mehr herstellen und das eigenverantwortliche Denken wird nicht mehr gefördert. Die Merk-Würdigkeit geht verloren – es ist nicht mehr würdig, gemerkt zu werden.

Das heißt, Lernen ist eine Übungssache?

Ja, definitiv. Jeden Tag dürfen Sie sich was Neues suchen, mit dem Sie sich auseinandersetzen. Da bleibt man geistig aktiv. Sie können der intelligenteste Physiker auf dem Planeten sein. Wenn Sie nur Physik machen, werden Sie niemals Transferwissen herstellen können – weil Sie nur in Ihrem Silo-Denken zuhause sind.

Gibt es auch Dinge, die Sie sich partout nicht merken können? Welche sind das?

Ja, zum Beispiel Sachen, die ich mir nicht merken möchte – zum Beispiel Kochrezepte, da bin ich ganz schlecht drin. Darum ist es so wichtig, einem Kind auch das Ziel zu zeigen, warum es sich lohnt, etwas zu lernen und es sich zu merken. Das ist natürlich manchmal eine Herausforderung: Manchmal muss ich das Ziel erst herausfinden, warum es sich lohnt, zum Beispiel die Plattentektonik in Erdkunde lernen, wenn es eigentlich unbedingt Medizin studieren will. Aber für das Abitur, das es für ein Medizinstudium braucht, muss es eben auch Erdkunde bestehen.

Keine Kommentare