Trinkend und rauchend "im" Theater Erlangen

13.7.2020, 10:30 Uhr
Trinkend und rauchend

© Kai Wido Meyer

In Erlangen ist Premiere – und ich sitze am Schreibtisch. Ein kühles Getränk, der Aschenbecher in Reichweite, meine Beine bequem über die Lehne des Sessels gestreckt, vor mir der Laptop. Auf dem Bildschirm erscheint der Innenraum des Markgrafentheaters: Er ist gähnend leer. Und doch soll es gleich losgehen.

Von der Dramaturgie habe ich gerade drei "Links" zugeschickt bekommen, auf die ich jeweils zur fest angegebenen Zeit klicken soll: 19 Uhr Einführung, 19.30 Uhr Vorstellung, 21 Uhr Nachgespräch. Der Zuschauer hat sieben Euro für die Teilnahme an diesem Abend bezahlt, abgerechnet irgendwie über das System. Ohne Eintritt kein Klick, das ist klar.

Auf dem Display erscheint jetzt ein Herr, der in einem Armstuhl wohl im oberen Foyer des Markgrafentheaters sitzt. Live, wie der Mann betont, der sich als Dramaturg Udo Eidinger vorstellt und der sagt, dass es eigentlich "traurig" sei, so allein hier zu sitzen. Er erzählt ein wenig kryptisch, worin es gleich in dem Stück "Let them eat money" gehen wird, dass die Inszenierung zunächst für einen richtigen Theaterabend geplant war, wegen Corona aber völlig neu gedacht werden musste. Unter seinem Bild ist die Zahl der gerade live anwesenden Zuschauer eingeblendet: 69. Um 19.30 Uhr sitze ich wieder am Schreibtisch: Auf dem Schirm hebt sich kein Vorhang, es geht gleich los mit dem Film, der Theater sein soll – oder umgekehrt. Ich schalte auf Vollbild, vielleicht, um dem Ereignis ein bisschen größere Würde zu geben, und schaue. Von rechts kommt jetzt Kater Emil und will über die Tastatur laufen. Ich verscheuche ihn unsanft: Das gehört sich nicht mitten in einer Vorstellung. Mein Handy klingelt – und niemand regt sich auf. Nach 90 Minuten ist Schluss: kein Applaus, nur ein Abspann wie im Fernsehen. 176 andere Teilnehmer, verrät mir der Computer, haben mit mir zusammen und doch irgendwo verstreut in der Region das Stück gesehen. Nach den gerade geltenden Corona-Regeln dürften so viele tatsächlich nicht auf einmal ins richtige Theater.

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Um neun sehe ich wieder das Foyer des Theaters. Neben dem Dramaturgen sitzen jetzt im gebührenden Abstand zwei junge Menschen: Es sind Vertreter der Fridays for Future-Bewegung, die sich zum Stück äußern sollen. Die Atmosphäre hat den Charme einer Telekolleg-Sendung über Latein. Die drei Menschen reden aber nur wenig über Theater, was den "Followern", die ihre Kommentare rasch einbloggen, auch sauer aufstößt. Dafür mahnen die aktiven Jugendlichen, dass wir, wenn wir so weiter machen, "an die Wand fahren". Der Erkenntnisgewinn ist dünn, die Eigenwerbung für die Öko-Bewegung aber hat hingehauen. Nach einer Dreiviertelstunde macht der Dramaturg Schluss und bedauert, dass es nun keine Premierenparty geben wird.

Tja, so funktioniert Theater eben heute. Der Kater kommt zurück, fläzt sich vor den dunklen Bildschirm und schläft seelenruhig ein.

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