"Urrädla" backen ist eine Kunst, die gelernt sein will

3.4.2018, 17:39 Uhr

© Foto: Maria Däumler

Die Festtagszugabe hat es in sich, weiß Angela Schickert. Nicht nur, weil viele Eier drin sind. Je nach Region heißt das feine Schmalzgebäck anders: Urrädla, Braada Küchle(a) oder auch geschnittene Hasen. Und je nach Region werden sie ein bisschen anders ausgeformt – aufgefädelt oder gekräuselt.

Und dann gibt es dafür noch jede Menge Rezepte, die meisten bleiben ein Familiengeheimnis. Irmgard Lange aus Wachenroth hat gleich etliche alte Rezepte, "aber nicht das Wissen dazu", gesteht sie. Da heiße es als Mengenangabe zum Beispiel "nach Belieben" oder "eine Handvoll". Und die Oma habe die Zutaten "nach Gefühl" dazugegeben. Weil jetzt Vincent, ihr dritter Sohn, demnächst Kommunion hat und er "Bündel", also Tüten mit Urrädla und Kuchen verteilen wird, wollte Irmgard Lange jetzt endlich wissen, wie man die Urrädla genau macht. Also meldete sie sich für den vhs-Kurs an.

Bei Angela Schickert ist Irmgard Lange goldrichtig: Im Kurs der Ernährungsfachfrau aus Heppstädt gibt es neben vielen Tipps auch genaueste Mengenangaben (siehe Rezept), sogar die Teigstückchen werden abgewogen, sie sollen 50 bis 55 Gramm schwer sein. Zuerst informiert die 43-jährige Expertin generell über das traditionelle Schmalzgebäck und rät: "Ich kaufe immer regionale Zutaten." Die Eier sind von den eigenen Hühnern, das Mehl von der Litzmühle, nur das Butterschmalz und das Pflanzenfett sei im Supermarkt gekauft.

Und schon geht’s los: Die acht Frauen, die meisten in Schürzen, und ein Mann machen sich in Zweiergrüppchen an die Arbeit: Andrea Bader, hauswirtschaftliche Betriebsleiterin und Lehrerin, rührt sechs Eigelb, ein ganzes Ei, drei Esslöffel Zucker und einen Teelöffel weiches Butterschmalz in einer großen Schüssel schaumig, dann siebt sie 500 Gramm Mehl darüber, gibt 200 Milliliter Schlagsahne dazu und knetet alles zu einem glatten Teig. Sie arbeitet schnell und konzentriert. Man merkt, die Frau ist vom Fach. Andrea Bader will mit ihren Schülerinnen Urrädla backen und hat es selbst noch nicht gemacht, daher hat sie sich spontan zum Kurs angemeldet, erzählt sie.

Jetzt soll der Teig etwas ruhen. In der Zwischenzeit geben die Back-Duos jeweils 250 Gramm Butterschmalz, 250 Gramm Pflanzenfett und zwei Würfel zu je 25 Gramm Kokosfett in einen kleinen Topf. Anschließend wird die ausgeruhte Teigrolle mit dem Teigschaber in Stückchen portioniert – "zu 50 bis 55 Gramm", sagt Schickert. Jedes Teilchen wird genau abgewogen – von wegen "nach Belieben".

"Je dünner, desto knuspriger"

Mit dem Nudelholz wird jedes Teilchen zu einem dünnen, runden Fleck ausgerollt, der dann auf ein zuvor ausgebreitetes Geschirrtuch zum Abtrocknen gelegt wird. "Der Teig muss so dünn sein, dass man das Muster des Geschirrtuchs durchsieht", rät Schickert. "Je dünner, desto knuspriger wird das Urrädla."

An allen Arbeitsflächen in der Schulküche wird eifrig gerollt, gewalzt und gezogen. Julia Kleebauer und ihr Bruder Johannes Nägel sind ein eingespieltes Team. "Ob es auch viereckig geht?", überlegt er. "Ich probier das mal aus." Die zwei unterhalten sich bei der Arbeit bestens und lachen immer wieder.

Auch in der Reihe davor geht es nicht so ernst zu. Pamela Kupfer und Eva Fröhlich haben schon viele Kurse zusammen bei Angela Schickert belegt: "Die macht das einfach super", lobt Kupfer die Kursleiterin. "Außerdem ist zusammen kochen viel schöner und lustiger."

Überall auf den Arbeitsflächen sind inzwischen hauchdünne Teigfleckchen ausgelegt. Wieder müssen sie ruhen und etwas abtrocknen. In der Zwischenzeit wird das Fett erhitzt. Auf 180 Grad. "Die Temperatur kann man auch ohne Thermometer herausfinden", verrät Angela Schickert einen alten Trick. "Ihr müsst einen Holzlöffel mit dem Stiel reinhalten, wenn das Fett dran hochperlt, dann ist es heiß genug."

Außerdem sollen zwei Teller sowie ein Backblech, jeweils ausgelegt mit Küchenpapier, bereitgestellt werden – für die Schöpfkellen und die frischen Urrädla zum Abtropfen. Solange der Teig ruht, wird in der Runde gefachsimpelt – zum Beispiel über den Thermomix, der hier keine Freunde findet, und über Themen für die nächsten Kurse: Eintöpfe, Wildgerichte und schnelle Plätzchen sind gewünscht.

Auf drei Finger fädeln

Jetzt kommt der Höhepunkt: Angela Schickert zeigt, wie mit einem Rädchen in den Teigfleck Streifen gerollt werden. Dann wird der Teig auf drei Finger gefädelt und dann der letzte Streifen durch die Mitte der anderen Streifen gezogen, sodass ein kleiner Haufen entsteht. Vorsichtig wird der Teig anschließend ins heiße Fett eingelegt und mit dem Schaumlöffel ein bisschen in Form gehalten.

Das Urrädla wird auf beiden Seiten goldgelb gebacken. "Nicht zu dunkel", mahnt Schickert. Dann vorsichtig aus dem Topf gehoben und auf den Teller mit Küchenpapier zum Abtropfen gelegt. Alle machen sich an die Arbeit. Dazwischen werden die ersten Vorzeigeexemplare getestet. "Ach, schmecken die lecker", ist Pamela Kupfer begeistert.

Angela Schickert geht durch die Reihen, schaut, ob sie helfen kann, gibt den einen oder anderen Tipp oder macht ein Scherzchen. Die Stimmung ist bestens. Die Duos arbeiten zügig vor sich hin. Ein Urrädla nach dem anderen landet zum Abkühlen auf dem Backblech. Petra und Bettina Gold aus Weisendorf sind als erste fertig: Stolz präsentieren die Mutter und Tochter ihr Blech mit den goldgelben Urrädla. Über zweieinhalb Stunden sind jetzt schon vergangen. "Ja, das ist schon ganz schön viel Aufwand", sagt Petra Gold lächelnd, "aber es ist halt was Besonderes".

 

Zutaten für 16 bis 18 Urrädla:

6 Eigelb

1 ganzes Ei

3 Esslöffel Zucker

1 Teelöffel Butterschmalz

500 Gramm Mehl

200 Milliliter süße Sahne

 

Zum Ausbacken:

250 Gramm (g) Butterschmalz

250 Gramm Pflanzenfett

2 Würfel (à 25 g) Kokosfett

 

Zubereitung:

Eier, Zucker, Butterschmalz schaumig rühren. Mehl in eine Schüssel sieben, Schaummasse und Schlagsahne zugeben und zu einem glatten Teig kneten. Den Teig etwas ruhen lassen. Aus dem Teig 16 bis 18 Stück zu je 50 bis 55 g schwere Stückchen portionieren. Jedes Teilchen mit dem Nudelholz zu einem sehr dünnen, runden Fleck ausrollen oder wie Nudelteig ausziehen. Dann den Teig auf beiden Seiten etwas abtrocknen lassen.

 

Formen und Ausbacken:

Fett auf 180 Grad erhitzen, mit Rädchen Streifen in Teigflecken rollen, Teig auf Finger fädeln und letzten Streifen durchziehen, dann vorsichtig ins heiße Fett legen und goldgelb backen. Aus dem Fett heben und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Urrädla kann man etwa 14 Tage am besten in einer Dose aufheben.

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