Von Müllvermeidung kaum eine Spur

23.3.2021, 17:56 Uhr
Von Müllvermeidung kaum eine Spur

© Foto: Harald Hofmann

Das will das Europäische Parlament zwar ändern und drängt auf eine Nachbesserung nationaler Recycling-Gesetze und -Verordnungen, um damit möglichst viel Wiederverwertung und damit Schrott-Vermeidung zu erreichen, doch in der Praxis wird es schwierig.

Um der Vernichtung noch verwendbarer Altgeräte entgegenzuwirken, hat beispielsweise der Zweckverband Abfallwirtschaft (ZVA) für die Stadt und den Landkreis Erlangen-Höchstadt bereits seit längerem auf dem Gelände der Umladestation am Erlanger Hafen und auf dem Wertstoffhof in Medbach einen Sammelcontainer für noch funktionsfähige Elektrogeräte eingerichtet, zudem gibt es in der Stadt Erlangen und an einigen Orten im Landkreis Sammelstellen für Kleingeräte.

Was nicht mehr funktioniert, wird als Schrott deklariert

Bei den großen Annahmestellen können Anlieferer ihre alten Elektrogeräte abgeben und der Eingangskontrolle mitteilen, ob das Gerät noch funktioniert. Diese Geräte werden getrennt gesammelt, andere, nicht funktionsfähige, werden aber ebenfalls getrennt gesammelt. Bisher ist die Weiterverwertung so geregelt, dass einmal in der Woche Mitarbeiter gemeinnütziger Einrichtungen die dort gelagerten Geräte auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen sollen und noch funktionstüchtige Geräte in die Sozialkaufhäuser zum Verkauf gegen kleine Münze abgeben.

Nur: Geräte, die nicht funktionsfähig sind, werden immer noch als nicht verwertbarer "Schrott" behandelt und landen – durch eine Bepreisung als "Wirtschaftsgut" getarnt – auf afrikanischen Müllkippen, wo oft Kinder den Geräten Bauteile und Elektronik-Platinen auf der Suche nach wertvollen Metallen und Erden entnehmen, meist unter entwürdigenden und gefährlichen Umständen.

Erlanger Radio-Techniker reicht das nicht

Diesen Umstand monieren nicht nur Umweltverbände oder Entwicklungsfachleute, die den Mülltourismus in die Dritte Welt beklagen. Auch Bastler im eigenen Land wollen sich damit nicht abfinden, dass ausnahmslos alle Geräte ohne für den Laien erkennbare Funktionsfähigkeit als "Abfall" behandelt werden. Seit Jahren bemüht sich in Erlangen ein selbstständiger Radio-TV-Techniker darum, Zugang zu solchen Geräten zu bekommen, um wiederverwertbare Bauteile ausbauen und weiterverwenden zu können. Er repariert für Schulen deren Elektro- und Elektronik-Equipment gegen kleine Rechnungen.

Kühlschrank hätte repariert werden können

Jüngste Beispiele: Eine Erlanger Sprachenschule sollte für viel Geld einen neuen Overhead-Projektor beschaffen, dessen Reparatur grundsätzlich möglich wäre. "Wenn ich Zugang zu benötigten Bauteilen hätte", so der Elektronik-Fachmann, "könnte das Gerät repariert werden, so aber wird es weggeworfen." Oder der reparaturbedürfte Kühlschrank, an dem nur ein eher unbedeutendes Bauteil defekt ist, das aber nur noch auf einem Recyclinghof aufzufinden wäre. Die mögliche Reparatur bleibt aber aus, denn ihm wird seit Jahren der Zugriff auf Altgeräte verwehrt – unter Verweis auf Paragraphen des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes, die dies nicht vorsähen.

Sinnvolle Kanalisation fehlt

In der Tat haben bisherige Versuche, den Elektro(nik)müll sinnvoll zu kanalisieren, zu Regelungen auch im Zweckverband Abfallwirtschaft Erlangen/Höchstadt geführt und erlauben einen gezielten Zugriff auf bestimmte Geräte-Kategorien. Der Zweckverband schreibt dazu: "Es ist zu unterscheiden, ob das Gerät zur Entsorgung abgegeben wurde (also in einen entsprechenden Container geworfen wurde), oder ob ein Wille erkennbar war es nicht zu entsorgen. Befindet sich das Elektrogerät bereits im Container, darf es nicht mehr herausgenommen werden. Nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz ist eine "Separierung von Altgeräten, eine nachträgliche Entnahme aus den Behältnissen sowie die Entfernung von Bauteilen aus oder von den Altgeräten" nämlich nicht zulässig", schreibt der Zweckverband unter Berufung auf das Elektro-Gesetz.

Geräte dürfen nicht an Jedermann abgegeben werden

Grundsätzlich wäre es möglich, so der Zweckverband weiter, eine Regelung einzuführen, wonach bestimmte Altgerätegruppen für mindestens zwei Jahre von der Abholung ausgenommen werden. Diese Geräte dürften dann aber auch nicht einfach an jedermann abgegeben werden, vielmehr dürfe die Wiederverwendung, von Altgeräten ausschließlich durch zertifizierte Entsorgungsfachbetriebe durchgeführt werden, wie es im Elektro-Gesetz vorgesehen sei. Von dieser Möglichkeit mache der Zweckverband derzeit allerdings keinen Gebrauch.

Zwei Möglichkeiten

Alternativ dazu halte der Zweckverband aber zwei weitere Möglichkeiten offen, so zum Beispiel mit Geräten, bei denen der ursprüngliche Eigentümer den Willen bekundet, sie nicht zu entsorgen, sondern an Dritte weiterzugeben. Hinzu komme eine zweite Box als "private Tauschbörse", also zur Wiederverwendung von Privat an Privat. Darunter könnten sich auch reparaturbedürftige Elektrogeräte befinden, die dann einfach herausgenommen werden können. Aus dieser Tauschbörsenbox könnte sich der erwähnte Elektrobastler und Kleinunternehmer jederzeit bedienen, nicht jedoch aus den Containern, versichert der ZVA.

Nur: Für den realen Bedarf des Reparaturbetriebs des Erlangers sind diese Regelungen viel zu einengend und damit ungenügend. Wenn er Apparate durch ein einzelnes Bauteil wiederverwendbar machen will, benötigt er nicht einzelne Geräte, sondern einen ganzen Geräte-Pool – oder aber den ganzen Container, in den bisher wahllos alles hineingeworfen wird, was aus den engen Regelungen herausfällt. Das Beispiel des Autoschrott-Handels mag als Illustration dienen: Der Schrotthändler kann bei der Ersatzteilsuche auf hunderte Fahrzeuge zurückgreifen, um ein Bauteil zu finden, das ein Fahrzeug wieder mobil macht.

Gemeinsamer Stadtratsantrag

Genau auf diese Defizite zielt ein gemeinsamer Stadtratsantrag der FDP, der Freien Wähler, der Grünen Liste, der Klimaliste, der Erlanger Linken und der ÖDP, in dem der Zugang zu allen Elektrogeräten – also auch der sogenannten "weißen Ware" wie Kühlschränke oder Waschmaschinen – und die Bereitstellung in geeigneten Regalen oder Räumen für Bastler und Reparaturwillige gefordert wird.

Denn mit den bisherigen viel zu engen Regelungen bleibt es beim riesigen Aufkommen von Elektroschrott, der auf afrikanischen Müllkippen landet. Und bei Geräten, die nur deswegen weggeworfen werden (müssen), weil ein kleines Bauteil defekt ist.

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