"Weg von der Schwarz-Weiß-Malerei"

24.9.2010, 15:01 Uhr

© Böhner

Deutschlandweit beginnen zurzeit interkulturelle Wochen. Erlangen organisiert - inzwischen seit 24 Jahren - sogar einen Interkulturellen Monat. Wie passt das zu der aktuellen Diskussion, die auf der einen Seite sagt, in der Integration seien zu viele Probleme noch ungelöst, und auf der anderen Seite, man habe zu blauäugig geglaubt, die Integration der Migranten sei im Grunde geglückt?

José Luis Ortega: Die aktuelle Diskussion wiederholt sich in den Medien immer wieder im Sommerloch. Im August nutzt man eben gern das Thema „Ausländer“. Für mich ist es wichtig, dass man weggeht von der Schwarz-Weiß-Malerei. Integration ist ein sehr komplexer Prozess, der zum Teil in Deutschland sehr gelungen ist: Es gibt viele Ausländer, die Teil dieser Gesellschaft sind, die dazu beitragen, dass das tägliche Leben hier angenehmer ist. Es gibt aber natürlich auch konfliktbeladene Bereiche. Das ist aber kein Spezifikum der Ausländer. Es geht darum, diese Probleme zu lösen.

Und wie macht man das?

José Luis Ortega: Die Probleme werden wir sicherlich nicht lösen, wenn wir eine ganze Gruppe schuldig sprechen. Es geht darum, differenziert zu schauen, was die Ursachen der Probleme sind: Probleme in der Bildung, in der wirtschaftlichen Lage der Familien. Dann greifen wir das Problem an der Wurzel an und führen keine unsäglichen Diskussionen mehr über Theorien, wonach bestimmte Menschengruppen bestimmte genetisch festgelegte Eigenschaften haben. Das führt uns nirgendwo hin.

Zum Thema „Flüchtlinge“ gibt es im Interkulturellen Monat nur eine Veranstaltung. Verpassen Sie damit nicht die Chance, aufmerksam zu machen auf Einschränkungen wie die Residenzpflicht oder die minimale Unterstützung, die noch unter dem Hartz-IV-Satz liegt?

José Luis Ortega: Die Situation der Flüchtlinge ist immer noch monströs. Durch die Gesetzesänderungen in den letzten Jahren haben sich Deutschland und Europa abgeschottet. Deshalb ist die Zahl der Flüchtlinge gesunken, dadurch ist auch die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung für diese kleine Gruppe gesunken. Wir unterstützen Flüchtlinge direkt, ohne dabei groß an die Öffentlichkeit zu gehen. Es gibt zum Beispiel Erfolge in der Residenzpflicht. Inzwischen dürfen sich Flüchtlinge innerhalb der Metropolregion bewegen.

Sie sind vor kurzem in den bayerischen Integrationsrat berufen worden. Hilft das Gremium, die Lebensverhältnisse von Migranten zu verbessern?

José Luis Ortega: Zum Teil. Der Integrationsrat ist ein beratendes Gremium für den Integrationsbeauftragten der Regierung, der ebenfalls ehrenamtlich tätig ist. Diese eingeschränkte Kompetenz des Integrationsbeauftragten schränkt natürlich die Durchsetzungsfähigkeit des Integrationsrates ein.

Lohnt es sich dann überhaupt, die Arbeit des Integrationsrates zu unterstützen?

José Luis Ortega: Ja. Der Integrationsrat hat eine wichtige Vernetzungsfunktion. Zudem gilt: Auch wenn man nur beratende Funktion hat, kann man in langwieriger Arbeit auch dicke Bretter bohren.

Der Schwerpunkt des Interkulturellen Monats sind die Migranten, die in den 50er und 60er Jahren als so genannte „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen sind. Warum haben Sie diesen Focus gewählt?

José Luis Ortega: Das schafft die Gelegenheit, diesen Menschen „Dankeschön“ zu sagen, für das, was sie in Deutschland geleistet haben, mit ihrer Arbeit, mit ihren kulturellen Beiträgen.

Das Programm, das während des Interkulturellen Monats angeboten wird, ist prall gefüllt. Welche Veranstaltungen empfehlen Sie?

José Luis Ortega: Wir haben das Glück, dass wir viele spannende Veranstaltungen haben. Ich empfehle, nicht übereinander, sondern miteinander zu reden. Ganz besonders gefällt mir der Friedensweg der Religionen, den es nun seit zehn Jahren gibt. Eine Feier dazu gestalten Kinder. Kinder sind die Zukunft, sie wachsen zusammen in Frieden auf. Das ist ein wichtiger Ausgangspunkt. Ich lade gerne alle Erlanger dazu ein, am Interkulturellen Monat teilzunehmen.